CeMM: Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist? Wissenschaftler:innen aus Wien sind auf eine verblüffende Erklärung gestoßen: Sie werden durch gesundes Gewebe angeregt. Dadurch kommen sie nie zur Ruhe und sind sofort startklar, wenn ihr Einsatz benötigt wird. Mit dieser Erkenntnis könnten in Zukunft Medikamente entwickelt werden, um die Aufmerksamkeit unseres Immunsystems gezielt zu steigern. Die Studie wurde im Fachjournal Nature Immunology (DOI: 10.1038/s41590-024-01804-1) veröffentlicht.

In der Immunabwehr ist Kommunikation entscheidend: Wenn zum Beispiel ein Virus eine Zelle infiziert, dann setzt die Zelle Signalmoleküle frei. Dadurch werden Abwehrzellen alarmiert, und in kürzester Zeit ist unser gesamtes Immunsystem aktiv. Immunzellen verarbeiten diese Signale insbesondere über den JAK-STAT-Signalweg – benannt nach Janus, dem zweiköpfigen römischen Gott des Anfangs und des Endes. Dieser Signalweg wirkt wie ein direkter Draht von der Signalerkennung zum Kern der Abwehrzellen, wo er eine Reihe von Genen aktiviert und die Zellen in den Angriffsmodus versetzt.

Selbst wenn gerade keine Gefahr droht, müssen unsere Abwehrzellen immer wachsam sein. Gleichzeitig dürfen sie keine Schäden durch unnötige Aktivität anrichten, wie es bei Autoimmunerkrankungen der Fall ist. Wie unsere Abwehrzellen die Balance halten, ist bisher kaum verstanden. Ein Team von Wiener Forschungsgruppen (www.jak-stat.at) hat nun in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Immunology“ eine Erklärung präsentiert: „Derselbe JAK-STAT-Signalweg, der die Abwehrzellen bei einer Infektion aktiviert, hält sie auch in Bereitschaft“ erklärt Christoph Bock, Principal Investigator am CeMM und Professor an der MedUni Wien. Die Abwehrzellen müssen daher bei einer Infektion nur die Intensität des Signalwegs erhöhen; das geht viel schneller, als einen Signalweg komplett neu anzuschalten.

Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, hat das Team zwölf verschiedene MausModelle untersucht, bei denen jeweils eine Komponente des JAK-STATSignalweg genetisch verändert ist. Diese Mäuse wurden frei von Krankheiten aufgezogen und mit genetisch unveränderten Mäusen verglichen. Dabei fiel auf, dass diesen Mäusen die charakteristische Genaktivität und epigenetische Regulation des Bereitschaftszustands teilweise fehlte. Etwas Ähnliches passierte auch, wenn die Abwehrzellen aus ihrem natürlichen Umfeld gerissen und im Labor gehalten wurden: Sie verloren ihren charakteristischen Bereitschaftszustand und teilweise sogar ihre Identität als Abwehrzellen.

Das Team analysierte die Gen-Expression und Epigenetik von Immunzellen und Gewebe-Proben, die von 7 Forschungsteams aus Wien gesammelt wurden. „Unsere Analysen waren nur durch die Etablierung einheitlicher Laborstandards sowie robuster statistischer Methoden möglich“, erklärt der Bioinformatiker Nikolaus Fortelny (Erstautor und mittlerweile Professor an der Uni Salzburg). „Wir konnten zeigen, dass Signalwege wie JAK-STAT im Bereitschaftszustand andere Funktionen als während einer Immunantwort besitzen“, beschreibt der Molekularbiologe Matthias Farlik (ebenfalls Erstautor und mittlerweile Gruppenleiter an der MedUni Wien) das Projekt.

„JAK-STAT ist ein zentraler Mechanismus unseres Körpers, um Immunsignale zu kommunizieren“, fasst Thomas Decker (Professor an den Max Perutz Labs und der Uni Wien) die Relevanz der Studie zusammen. „Unsere Studie bietet dabei Einblicke in die Rolle des Immunsystems: Nicht nur auf Angriffe zu reagieren, sondern auch die Wachsamkeit zu erhalten, ohne unnötige Schäden anzurichten“, ergänzt Mathias Müller (Professor an der Vetmeduni Wien). Gene des JAK-STAT-Signalwegs sind bei Personen mit Immunerkrankungen und bei Krebs bisweilen krankhaft verändert. Aus dieser Forschung ergeben sicher daher auch mögliche Ansätze für neue Therapien.

Die Studie „JAK-STAT signaling maintains homeostasis in T cells and macrophages“ erschien in der Zeitschrift Nature Immunology am 24. April 2024. DOI: 10.1038/s41590-024-01804-1 

AutorInnen: Nikolaus Fortelny, Matthias Farlik, Victoria Fife, Anna-Dorothea Gorki, Caroline Lassnig, Barbara Maurer, Katrin Meissl, Marlies Dolezal, Laura Boccuni, Aarathy Ravi Sundar Jose Geetha, Mojoyinola Joanna Akagha, Anzhelika Karjalainen, Stephen Shoebridge, Asma Farhat, Ulrike Mann, Rohit Jain, Shweta Tikoo, Nina Zila, Wolfgang Esser-Skala, Thomas Krausgruber, Katarzyna Sitnik, Thomas Penz, Anastasiya Hladik, Tobias Suske, Sophie Zahalka, Martin Senekowitsch, Daniele Barreca, Florian Halbritter, Sabine Macho-Maschler, Wolfgang Weninger, Heidi A. Neubauer, Richard Moriggl, Sylvia Knapp, Veronika Sexl, Birgit Strobl, Thomas Decker, Mathias Müller, Christoph Bock 

Förderung: 

Diese Arbeit wurde vom Wissenschaftsfonds FWF, der Europäischen Organisation für Molekulare Biologie (EMBO) und dem Europäischen Forschungsrat (ERC) gefördert.

Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter wissenschaftlicher Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen, sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Institutes befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien. www.cemm.at

Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit mehr als 6.000 Mitarbeiter:innen, 30 Universitätskliniken und zwei klinischen Instituten, zwölf medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich. Die MedUni Wien besitzt mit dem Josephinum auch ein medizinhistorisches Museum.

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Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni) ist eine der führenden veterinärmedizinischen, akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni beschäftigt 1.500 Mitarbeiter:innen und bildet zurzeit 2.500 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Lehr- und Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich und eine Außenstelle in Tirol gehören ebenfalls zur Vetmeduni. Die Vetmeduni spielt in der globalen Top-Liga mit: Im weltweiten ShanghaiHochschulranking 2023 belegte sie abermals einen Spitzenplatz im Fach „Veterinary Science". www.vetmeduni.ac.at

Die Paris Lodron Universität Salzburg, PLUS, bietet sechs Fakultäten mit 34 Fachbereichen und 87 Studien in digitalen und analytischen, natur- und lebenswissenschaftlichen, gesellschaftswissenschaftlichen, kulturwissenschaftlichen, theologischen sowie rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fächern. Knapp 18.000 Studierende absolvieren hier Bachelor-, Master- und Doktoratsstudien. 1622 von Fürsterzbischof Paris Lodron gegründet und wieder errichtet im Jahr 1962, ist die PLUS heute die größte Bildungseinrichtung in Salzburg. www.plus.ac.at/ 

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Stefan Bernhardt 
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CeMM Research Center for Molecular Medicine of the Austrian Academy of Sciences 
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