FOPI: Bilanz über 2019 neu zugelassene Arzneimittel: Grundstein für Versorgung der PatientInnen mit innovativen Therapien

Die 2019 erstmals präsentierte Arzneimittel-Innovationsbilanz für Österreich hat die Bedeutung von innovativen Therapien für die Versorgung heimischer PatientInnen eindrucksvoll unterstrichen. In der aktuellen Situation der COVID-19-Pandemie hat Arzneimittel-Forschung und -Entwicklung aber nochmal an Bedeutung gewonnen. Anfang des Jahres haben die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES MEA) und das Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI) diese Bilanz für das vergangene Jahr neu aufgelegt. Und sie zeigen damit – im Licht der Corona-Krise und mit Blick auf den internationalen Tag der klinischen Forschung am 20. Mai – die Ergebnisse intensiver Forschungsarbeit mit Investitionskosten von über 35 Mrd. € allein in Europa.

„Selten zuvor hat die Weltöffentlichkeit so dringend auf die Entwicklung eines Arzneimittels gewartet wie derzeit. Denn alle Überlegungen und Hoffnungen zur Bekämpfung der Pandemie knüpfen letztlich an einem Punkt an – am Erfolg der Wissenschaft, das heißt an der Erforschung und Produktion einer Impfung und/oder eines Therapeutikums gegen die COVID-19-Infektion“, sagt Ingo Raimon, Präsident des FOPI. „Am Gedenktag der heiligen Corona und wenige Tage vor dem internationalen Tag der klinischen Forschung ist der Blick auf die Arzneimittel-Innovationen deshalb besonders passend.“ Diese Bilanz sei eindrucksvoll, so Raimon weiter. „Über 7.000 Arzneimittel sind weltweit in Entwicklung, um Therapien zu verbessern, die Lebensqualität der PatientInnen zu erhöhen und nicht zuletzt Hoffnung für Menschen zu bieten, denen bislang noch keine oder keine zufriedenstellende Therapie zur Verfügung stand. Doch Medikamentenentwicklung ist keine Autobahn, sondern ein steiler und steiniger Weg. Von 10.000 neu entdeckten Substanzen schaffen es nur ein bis zwei bis zur Marktreife. Ein Großteil des Engagements und damit verbundener Investments wird als ‚leere Kilometer‘ abgeschrieben werden müssen.“ In der Regel dauert die Entwicklung eines Arzneimittels durchschnittlich 12 bis 13 Jahre und kostet 2,2 Mrd. €. In Summe investiert die europäische Pharmaindustrie 35 Mrd. € pro Jahr in Forschung und Entwicklung, die österreichische Industrie immerhin 294 Mio. €. Das bringt die Pharmaindustrie in die Position des Spitzenreiters hinsichtlich F&E-Quote. Denn die Pharma- und Biotech-Industrie gibt mit 15 % des Umsatzes den höchsten Anteil aller Hochtechnologiesektoren für Forschung aus – deutlich vor der Software-, der Hardware- oder der Autoindustrie.

Fast 300 innovative Arzneimittel in den letzten acht Jahren

Ergebnis dieser intensiven Forschungsarbeit sind innovative Medikamente mit neuen Wirkstoffen. 31 dieser Innovationen sind 2019 in der Europäischen Union und damit auch in Österreich zugelassen worden – darunter sind beispielsweise neun Krebsmedikamente, vier Arzneimittel für lebensbedrohliche Blutgerinnungsstörungen, drei Medikamente für seltene Erkrankungen bei Kindern, eine neuartige HIV-Therapie und ein Ebola-Impfstoff. Auch die anderen Arzneimittel zeigen höchste Innovation und bieten für vielfältige Indikationen wie Osteoporose, Migräne, Diabetes, Psoriasis, Rheumatoide Arthritis, kindliche Epilepsie, etc. neue Therapiemöglichkeiten.

Nach Kategorien unterteilt entfallen 58 % der neuen Wirkstoffe auf small molecules, 19 % stellen monoklonale biotechnologische Antikörper, 19 % sind Biotech-Therapien und 3 % Gen-Therapien.

„In den letzten acht Jahren wurden in Summe fast 300 innovative Arzneimittel in Österreich zugelassen“, erläutert Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin des Geschäftsfelds Medizinmarktaufsicht der AGES MEA. „Nach einem besonders starken Jahr 2018 ist die Zahl 2019 zwar wieder auf ein durchschnittliches Niveau zurückgegangen. Aber das sind normale Schwankungen, und in Summe ist die Bilanz ein starkes Signal für die Innovationskraft der Branche.“

„Was die Pharmaindustrie zu leisten im Stande ist“, so Wirthumer-Hoche, „erleben wir außerdem in der aktuellen Krisensituation. Es ist ein bislang einzigartiger weltweiter Forschungswettlauf zu beobachten, in dem gleichzeitig so viele Kooperationen zwischen Unternehmen und Forschungszentren entstanden sind wie noch nie zuvor.“

Neue Arzneimittel mit hohem therapeutischem Nutzen

Beispiele für die innovative Forschungsarbeit der letzten Jahre sind aus Sicht der AGES unter anderem die exemplarischen Arzneimittel-Innovationen aus 2019:

  • Cannabidiol – das erste in Europa zugelassene Arzneimittel mit dem sekundären Cannabis-Wirkstoff; Einsatz bei schwerster kindlicher Epilepsie
  • Ebola Zaire Impfstoff – der erste in Europa zugelassener Ebola-Impfstoff, basierend auf dem gentechnisch modifiziertem Vesikular Stomatitis-Virus (Dieser Impfstoff ist damit übrigens fünf Jahre nach Ausbruch der bisher größten Ebola-Epidemie im Jahr 2014 zugelassen worden.)
  • Genetisch modifizierte autologe CD34+ hämatopoetische Stammzellen – die erste gentherapeutische Heilungsoption bei der vererbten Blutkrankheit Beta-Thalassämie (Mittelmeeranämie)
  • Ibalizumab – der erste monoklonale Antikörper gegen HIV; zur Behandlung von Erwachsenen mit einer multiresistenten HIV-1-Infektion, bei denen kein anderes antivirales Regime möglich ist
  • Larotrectinib – das erste Tumortyp-unabhängige Onkologikum (Tissue-agnostic); dabei werden nicht einzelne Tumortypen indiziert, sondern die Genmutation, die zum Krebs führt; für die gezielte Behandlung von TRK-Fusionstumoren

Holpriger Marktzugang

Von den 41 neuen Wirkstoffen, die in der letztjährigen Bilanz ausgewiesen wurden, konnten in der Zwischenzeit nur 15 in den Erstattungskodex (kurz EKO) der Sozialversicherung für die Abgabe auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers aufgenommen werden. Das entspricht lediglich einem guten Drittel. Gar nicht in Österreich verfügbar sind leider acht Präparate. Eines davon, obwohl es sogar in Österreich hergestellt wird. Ein anderes, das aufgrund des niedrigen erwartbaren geforderten Preisniveaus (Psychopharmakum) nicht eingeführt werden kann.

Auch wenn sieben Produkte als reine Krankenhausprodukte einzustufen sind, ist diese Bilanz für Österreich ernüchternd. Die durchschnittliche Verfahrensdauer (vom Antrag bis zur Aufnahme in den EKO) liegt mit 280 Tagen weit über dem gesetzlichen Limit von 180 Tagen. Nur ein einziges liegt darunter. Von der Zulassung bis zur Regelerstattung dauert der Prozess fast doppelt so lang wie vorgesehen. „Das ist für die PatientInnen, die rasch regulären Zugang zu Innovationen dringend benötigen, äußerst unbefriedigend“, meint Ingo Raimon. „Viele Verzögerungen sind aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, und in Summe entspricht die Verfahrensdauer weder den gesetzlichen Regelungen noch dem Interesse der PatientInnen. So wären dieselben Präparate in Deutschland in der Regel sofort nach Zulassung verfügbar und erstattet, bevor sie das AMNOG-Verfahren durchlaufen haben.“ Sechs der 41 Innovationen befinden sich immer noch oder erst seit dem letzten halben Jahr im Roten Bereich, also im Verfahren beim Dachverband. Hier reden wir von einer Verzögerung der Regelversorgung seit Zulassung von durchschnittlich 665 Tagen. Zwei der 41 neuen Präparate wurden sogar endgültig nicht in die Regelerstattung aufgenommen – PatientInnen warten ab Zulassung bis heute somit durchschnittlich 834 Tage. „Mit dieser erstmals durchgeführten Analyse muss man die Behauptung hinterfragen“, so Raimon, „dass Österreich beim Marktzugang zu den besten in Europa zählt – doch das muss unser gemeinsames Ziel sein.“

Potenzial von über 400 Medikamenten in Forschungsprojekten bis 2023

„Viele Krankheiten sind in den letzten Jahren besser behandelbar geworden. Doch es gibt weiterhin Erkrankungen, in denen es hohen medizinischen Bedarf gibt“, betont Ingo Raimon. „Deshalb sind die Anstrengungen der forschenden Pharmaindustrie ungebrochen hoch. Allerdings braucht es auch Rahmenbedingungen, die diese Arbeit fördern. Und da hat Österreich leider ein wenig den Anschluss verloren.“ So gehen die Zahl der beantragten klinischen Studien seit Jahren zurück. 2018 wurden für 283 klinische Prüfungen Ansuchen gestellt, 2010 waren es noch 336. Dazu passend ist auch die Zahl der eingeschlossenen PatientInnen von fast 6.700 im Jahr 2013 auf knapp 5.200 im Jahr 2017 gesunken. „Das ist sehr unerfreulich, denn damit haben auch weniger Betroffene den Zugang zu neuesten Therapieansätzen und engmaschiger ärztlicher Betreuung, wie sie im Rahmen einer klinischen Studie selbstverständlich ist“, bedauert Raimon.

Trotzdem blickt die forschende Pharmaindustrie mit großen Erwartungen in die Zukunft: Laut einer aktuellen Umfrage des deutschen Schwesterverband vfa könnten bis Ende 2023 insgesamt 434 Forschungsprojekte für 145 Krankheiten zu einer Zulassung oder Zulassungserweiterung für ein Medikament führen. „Das zeigt das enorme Potenzial“, meint Raimon, „und lässt sich im Trend auch auf Österreich umlegen, selbst wenn die exakten Zahlen für Deutschland gelten. Und dazu kommt noch das Portfolio an Forschungsprojekten, das sich auf COVID-19 richtet.“

Hohe Bedeutung Österreichs im europäischen Zulassungsprozess

Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES MEA) hat übrigens auch im zentralen europäischen Zulassungsprozess eine besonders große Bedeutung. Letztes Jahr erhielt die AGES MEA für 15 Zulassungsverfahren den Zuschlag, die Hauptbegutachtung federführend vorzunehmen – für elf als so genannter Rapporteur, für weitere vier als Co-Rapporteur. Damit liegt die heimische Institution im Bereich Begutachtung für zentrale Zulassungsverfahren im Vergleich aller EU-Staaten unter den Top Ten der europäischen Zulassungsbehörden. Bei den Scientific Advice Verfahren belegt Österreich sogar den zweiten Platz im EU-Ranking. „Wir spielen auf diesem Gebiet zweifellos eine wichtige Rolle“, so Christa Wirthumer-Hoche, „und das resultiert nicht zuletzt aus der hohen Kompetenz und dem großen Engagement der AGES-MitarbeiterInnen.“

Ein Mitschnitt der Pressekonferenz wird voraussichtlich ab heute Nachmittag unter https://www.fopi.at/news/#presseinformationen online sein.

The sender takes full responsibility for the content of this news item. Content may include forward-looking statements which, at the time they were made, were based on expectations of future events. Readers are cautioned not to rely on these forward-looking statements.

As a life sciences organization based in Vienna, would you like us to promote your news and events? If so, please send your contributions to news(at)lisavienna.at.