Uni Wien: Vielversprechender metallhaltiger Wirkstoffkandidat für Tumortherapie

Wirkmechanismen von BOLD-100 auf der Spur

BOLD-100 ist ein rutheniumhaltiger Wirkstoffkandidat, der an der Universität Wien entscheidend mitentwickelt wurde und derzeit in klinischen Studien an Krebspatient*innen vielversprechende Resultate zeigt. Der Wirkmechanismus dieser Metallverbindung ist jedoch noch nicht restlos aufgeklärt. Forscher*innen der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien konnten nun nachweisen, dass BOLD-100 an ribosomale Bestandteile in den Tumorzellen bindet. Die jetzt in "Angewandte Chemie" mit Cover veröffentlichte Studie kann dazu dienen, BOLD-100 als tumorhemmenden Wirkstoff gezielter einzusetzen.

Die Entwicklung von metallhaltigen tumorhemmenden Wirkstoffen in den 1970er Jahren war ein Meilenstein in der Krebsbehandlung. Trotz der sehr hohen Effektivität wurden bis heute nur eine Handvoll von Wirkstoffen dieser Klasse zugelassen, darunter vor allem platinhaltige Verbindungen wie Cisplatin, Carboplatin und Oxaliplatin oder Arsentrioxid.

Der rutheniumhaltige Wirkstoff BOLD-100, ursprünglich als KP1019 (KP1339) von Chemiker und Arzt Bernhard Keppler, Leiter des Institutes für Anorganische Chemie der Universität Wien, entwickelt, zeigte Wirksamkeit und sehr gute Verträglichkeit in den bisherigen klinischen Studien. Unter anderem bei neuroendokrinen (hormonproduzierenden) Tumoren wurden hier erste positive Resultate gezeigt. Vereinfacht gesprochen ist BOLD-100 ein kleines Molekül, das über das Protein Albumin zielgerichtet in die Tumorzelle transportiert und dort selektiv aktiviert wird, was den Tod der Krebszellen nach sich zieht.

Multiomik: Einblicke über kombinierte Datenanalyse  

"In vorklinischen Studien hatte BOLD-100 eine gute tumorhemmende Wirkung bei Tumorarten, die nur in geringem Maße auf platinhaltige Wirkstoffe ansprechen. Man weiß auch bereits, dass der Wirkstoffkandidat im endoplasmatischen Retikulum – also in einer Untereinheit der Zelle, die unter anderem für den Lipid-Anabolismus und die Eiweiß-Reifung verantwortlich ist – Stress auslöst. Doch der detaillierte Wirkmechanismus, vor allem in Bezug auf potenzielle Zielmoleküle, an die der Wirkstoff andocken und damit bestimmte Effekte zur Tumorbekämpfung auslösen kann, war bisher noch ungeklärt", sagen die Hauptautoren Samuel Meier-Menches und Christopher Gerner vom Institut für Analytische Chemie, die in der aktuellen Studie mit Kolleg*innen von der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien den molekularen Wirkmechanismus von BOLD-100 untersuchten.

Im Rahmen ihrer Multiomik-Studie, also einer kombinierten Datenanalyse des Protein- und Genexpressionshaushaltes, konnten die Forscher*innen zeigen, dass BOLD-100 ribosomale Bestandteile der Krebszelle stört und dies mit Stress im endoplasmatischen Retikulum in Verbindung gebracht werden kann. "Weitere Untersuchungen offenbarten zudem potenzielle Proteinbindungspartner von BOLD-100, spezifisch die ribosomalen Proteine RPL10 und RPL24. Dies wurde schlussendlich mit bildgebenden Verfahren bestätigt", sagt Erstautor Benjamin Neuditschko von der Fakultät für Chemie.

Brücke zwischen präklinischer und klinischer Forschung

"Ein umfassendes Verständnis in Bezug auf Wirkmechanismen ermöglicht den gezielten Einsatz von Wirkstoffen", sagen die Forscher*innen, deren Studie nun auch auf dem Titelblatt von "Angewandte Chemie" erschien. Die Etablierung von post-genomischen Methoden zur Erforschung von Wirkmechanismen ist eines der Ziele der "Joint Metabolome Facility", einer gemeinsamen Einrichtung der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien. Neuartige metallhaltige Wirkstoffe für bisher nicht oder nur schwer therapierbare Tumorarten werden im Rahmen des Forschungsclusters "Translational Cancer Therapy Research" unter Leitung von Bernhard Keppler von der Fakultät für Chemie der Universität Wien und Walter Berger von der Medizinischen Universität Wien gemeinsam beforscht und weiterentwickelt.

Bold Therapeutics ist ein Biotech-Unternehmen in Vancouver, Kanada, das 2018 gegründet wurde, um BOLD-100, ein erstklassiges Anti-Resistenz-Therapeutikum, zu entwickeln und zu vermarkten.
https://www.bold-therapeutics.com/

Publikation in Angewandte Chemie:

Interaction with Ribosomal Proteins Accompanies Stress Induction of the Anticancer Metallodrug BOLD-100/KP1339 in the Endoplasmic Reticulum. Benjamin Neuditschko, Anton A. Legin, Dina Baier, Arno Schintlmeister, Siegfried Reipert, Michael Wagner, Bernhard K. Keppler, Walter Berger, Samuel M. Meier-Menches, and Christopher Gerner, in: Angew. Chem. Int. Ed. 2021, 60, 1. März 2021, DOI: 10.1002/anie.202015962

Wissenschaftlicher Kontakt

Univ.-Prof. Dr. Christopher Gerner
Institut für Analytische Chemie
Universität Wien
1090 - Wien, Währinger Straße 38
+43-1-4277-523 02
christopher.gerner(at)univie.ac.at

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