Stadt Wien: Mailath zum Tod von Carl Djerassi

"Er hat die Entwicklung unserer Gesellschaft historisch beeinflusst"

"Mit Carl Djerassi verlieren wir eine der bedeutendsten und vielseitigsten Forscherpersönlichkeiten unserer Zeit", reagierte Kultur- und Wissenschaftsstadtrat Andreas Mailath-Pokorny betroffen auf den Tod des großen Wissenschaftlers. "Djerassi war ein Mensch mit genialen Zügen, der immer mehr als nur ein Leben führte und sich nie davor scheute, sich einem gänzlich neuen Gebiet zuzuwenden. Er war eine der seltenen Persönlichkeiten mit einer Mehrfachbegabung, die sich in der Wissenschaft, der Literatur und der Kunst gleichermaßen zu Hause fühlte. Erfolg hatte er auf allen Gebieten. Wahrhaft bahnbrechende Leistungen erbrachte er aber als Forscher, wo er Wissenschaftsgeschichte schrieb: Mit der Entwicklung der Pille veränderte er das Leben von Millionen von Menschen und trug entscheidend zur Selbstbestimmung der Frau bei. Trotz seiner Vertreibung aus Wien durch die Nationalsozialisten war Carl Djerassi mit seiner Heimatstadt bis zuletzt in einer herzlichen Freundschaft verbunden, u.a. auch als regelmäßiger Gast bei den Wiener Vorlesungen", schloss Mailath. Die Stadt Wien würdigte die Leistungen des großen Wissenschaftlers 2002 mit der Ehrenmedaille in Gold.

Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder trauert um Carl Djerassi
Klaus Albrecht Schröder: Ich habe die traurige Pflicht, bekanntzugeben, dass Carl Djerassi letzte Nacht in San Francisco seinem schweren Krebsleiden erlegen ist. Djerassi ist 1923 geboren und im Alter von fünf Jahren nach Wien übersiedelt, von wo er 1938 mit seiner Mutter als Jude vor den Nationalsozialisten geflohen und zuerst nach Bulgarien und schließlich in die USA emigriert ist.

In seiner neuen Heimat hat er als Chemiker eine Weltkarriere gemacht. Ein Höhepunkt während seiner Tätigkeit in Mexiko war die Erfindung der Antibabypille 1950. Viele weitere bahnbrechende chemische Erfindungen während seiner jahrzehntelangen Tätigkeit an der Stanford University haben ihn zu einem der ganz großen Forscher gemacht, der aus der Geschichte des medizinischen Fortschritts heute nicht wegzudenken ist.

Über 30 Ehrendoktorate aus aller Welt sind ebenso wie die vom amerikanischen Präsidenten verliehene Medal of Science ein Symbol seiner internationalen Wertschätzung. Obwohl seit Jahrzehnten auf der Shortlist für den Nobelpreis, wurde ihm dieser jedoch versagt.

Carl Djerassi hat 2003 wieder intensiven Kontakt zu Österreich gesucht und über eine enge Verbindung mit der Albertina und eine tiefe Freundschaft zu mir persönlich den Weg zurück nach Wien gefunden, um schließlich diese Stadt als seinen dritten ständigen Wohnort neben San Francisco und London zu wählen.

Die Albertina verdankt Carl Djerassi eine der reichsten Schenkungen der letzten 15 Jahre: 2 große Skulpturen von George Rickey sowie 65 Aquarelle, Gouachen und Zeichnungen von Paul Klee hat er der Albertina übergeben.

Nicht nur unserem Haus hat Carl Djerassi große Bestände seiner Kunstsammlung zukommen lassen. Nach dem Selbstmord seiner Tochter richtete er eine Stiftung auf seiner Ranch am Pazifik für Literaten, Künstler, Tänzer und Komponisten ein. Seine Skulpturensammlung, darunter eine wertvolle Kollektion an Rodins hat er dem Museum der Stanford University geschenkt. Über 60 Werke Paul Klees hat er außerdem dem Museum of Modern Art in San Francisco als Schenkung übergeben. Weitere Stiftungen für die Künste und die Forschung der Literatur hat er nach dem Tod seiner zweiten Frau Diane Middlebrook eingerichtet.

Ich selbst habe Carl Djerassi einen Tag vor seiner endgültigen Abreise nach San Francisco am 16. Dezember auf seinen Wunsch hin noch einmal besucht. In einem mehrstündigen Gespräch haben wir auf eine bewegende Weise voneinander Abschied genommen.

Seinem letzten Wunsch an mich, sein noch nicht publiziertes letztes Buch nach seinem Tod in der Albertina zu präsentieren und eine Gedenkfeier für ihn zu veranstalten, werde ich leider früher nachkommen müssen, als gehofft.

Carl Djerassi hat sich für die Rickey Skulptur, die auf der Albertina Bastei aufgestellt ist, folgende Inschrift gewünscht: Born 1923, Exile 1938, Reconciled 2003.

Die Albertina wird Carl Djerassi stets ein würdiges Andenken gewahren. Unser großes Mitgefühl gilt seinem Sohn und seinem Enkel. Ich persönlich verliere mit Carl Djerassi einen meiner wertvollsten Freunde.

Rückfragehinweis
ALBERTINA
Tel: +43 1 534 83 511
Email: S.Wulbrandt(at)albertina.at
Web: www.albertina.at

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