Pharmig: Wer Forschung will, muss handeln

Experten fordern Stärkung der Infrastruktur für klinische Forschung - für ein hohes Niveau an medizinischer Versorgung, an internationaler Reputation und als Impuls für die Wirtschaft.

"Wir stehen an einem Scheideweg und der lautet: klinische Forschung in Österreich ja oder nein. Wenn wir in Österreich nicht bald den Beispielen anderer Länder folgen, dann werden wir die jetzt noch vorhandene klinische Forschung an andere Länder verlieren", mahnte Dr. Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig bei einem Pressegespräch. Im Zuge dessen machten Experten konkrete Vorschläge, um die klinische Forschung in Österreich auszubauen und es damit als hoch qualitativen Forschungsstandort international zu etablieren.

War Österreich bislang für sein relativ unkompliziertes und rasches Genehmigungsverfahren bekannt, wird dieser Vorteil durch die neue EU-Verordnung zur Durchführung klinischer Prüfungen in naher Zukunft wegfallen. "Andere EU-Länder verfolgen schon seit längerem Strategien zur Forschungsförderung und zur Gestaltung attraktiver Rahmenbedingungen für klinische Forschung. Damit wir hier mithalten können, müssen Bund, Länder aber auch die Krankenhausträger den Wert, den Forschung für unser Land hat, erkennen und eine Strategie für Österreich erarbeiten", sagt Huber und fordert damit einen "Masterplan Klinische Forschung" unter federführender Beteiligung des Gesundheitsministeriums.

Derzeit laufen laut einer Umfrage unter österreichischen pharmazeutischen Unternehmen jährlich an die 500 klinische Prüfungen mit etwa 5000 bis 7000 Patienten. Das hat viele Vorteile: Für die Patienten bieten diese Prüfungen oft eine einzigartige Therapiemöglichkeit, die an den Prüfungen beteiligten Ärzte profitieren von einem unmittelbaren Wissenszuwachs und die Sozialversicherungsträger ersparen sich Behandlungskosten.

Dr. Ilona Reischl, Abteilungsleiterin Klinische Prüfung in der AGES Medizinmarktaufsicht, die Anträge auf die Durchführung klinischer Studien prüft, erklärt: "Durch das neue Genehmigungsverfahren entsteht ein Wettbewerb um den geeignetsten Standort, der auch von der Expertise der Zulassungsbehörde geprägt ist." Diese sei laut Reischl durch Betreuung von klinischen Prüfungen in den frühen Phasen der Arzneimittelentwicklung zu gewinnen. "Wer von Anfang an dabei ist, kann das meiste Know-how aufbauen und holt dadurch weiterführende Projekte nach Österreich", ist Reischl überzeugt. Damit dies möglich wird, wirbt sie für eine gemeinsame Strategie aller Stakeholder, die durch transparente Prozessgestaltung und Gewährleistung der notwendigen Ressourcen unterstützt werden sollte. Nationale Hürden für internationale Antragsteller wie Einreichung aller Unterlagen in deutscher Sprache oder langwierige Vertragsverhandlungen sollten vermieden werden, da sich diese auf den Standort nachteilig auswirken.

Univ.-Prof. Dr. Ernst Singer, Vorstand der Ethikkommission an der MedUni Wien, sieht klinische Prüfungen ebenfalls als wesentliche Säulen einer medizinisch hochwertigen Versorgung. Die neue EU-Verordnung stellt jedoch an die Bewertung von Anträgen zur Durchführung klinischer Studien erweiterte Anforderungen, was auch die Ethikkommissionen betrifft. "So wie die Kommissionen derzeit organisiert sind, können wir diesen Anforderungen nicht gerecht werden", so Singer. Er fordert daher eine notwendige Unterstützung der Kommissionen: "Dies betrifft mehrere Ebenen, nämlich die organisatorische, die finanzielle und die legistische. Damit Österreich auf dem Sektor der klinischen Arzneimittelprüfungen kompetitiv bleiben und die hohe Qualität des Patientenschutzes auch weiterhin halten kann, ist eine enge und lösungsorientierte Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen erforderlich."

Seit 2008 ist die Zahl von damals 43 klinischen Prüfungen der Phase I auf 23 im Jahr 2014 fast um die Hälfte zurück gegangen. Dr. Thomas Pieber, Leiter der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel an der Medizinischen Universität in Graz, setzt in seinen Forschungsaktivitäten einen besonderen Schwerpunkt auf die Durchführung von frühen Phasen klinischer Prüfungen. Österreich ist prinzipiell gut aufgestellt, was klinische Forschung betrifft. Die internationalen Entwicklungen machen aber weitreichende Infrastrukturmaßnahmen nötig, um weiterhin mithalten zu können. Pieber betont: "Wir brauchen gut ausgestattete klinische Forschungszentren, wie sie rund um den Globus zu finden sind. Und unsere medizinischen Universitäten müssen ein Ausbildungskonzept für klinische Forschung entwickeln, denn das ist eine hochkomplexe Forschungstätigkeit, die auch wesentlich mehr Unterstützung in den Krankenhäusern, aber auch von der Öffentlichkeit verdient."

Auch für Dr. Wolfgang Bonitz, stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Klinische Forschung in der Pharmig, sind standortstärkende Maßnahmen unerlässlich, um die neuen Anforderungen umzusetzen und damit Österreich nicht den Anschluss verliert: "Der Wettbewerb steigt. Die Entscheidung, wo ein Unternehmen seine klinischen Prüfungen durchführt, hängt von einer unkomplizierten Abwicklung mit kompetenten Partnern und nicht zuletzt auch davon ab, ob die Forschungslandschaft über die notwendige herausragende Qualität verfügt." Für Bonitz fehlt es auch an einem Bewusstsein bei den Krankenhausträgern, was die Bedeutung klinischer Forschung betrifft. Zudem wird es für Ärzte und Studienpersonal allgemein nicht einfacher, Zeit und Ressourcen für klinische Prüfungen aufzubringen. Konkrete Projektanfragen seien deshalb bereits abgelehnt worden. "Das zeigt, dass ein akkordiertes Vorgehen seitens der Verantwortlichen in Politik, bei den Behörden, in den Studienzentren und Krankenhäusern notwendig ist, um Österreich als Land der Innovationen international zu etablieren", so Bonitz.

Über die Pharmig: Die Pharmig ist die freiwillige Interessenvertretung der österreichischen Pharmaindustrie. Derzeit hat der Verband 120 Mitglieder (Stand Mai 2015), die den Medikamenten-Markt zu gut 95 Prozent abdecken. Die Mitgliedsunternehmen der Pharmig bieten Arbeitsplätze für ca. 18.000 Beschäftigte (Quelle: Vollerhebung unter den Pharmig -Mitgliedsunternehmen, Stand Februar 2015).

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