Pharmig: Plasmaversorgung in Zeiten der SARS-CoV2-Pandemie

Welche Folgen SARS-CoV2 für die Versorgung mit Blutplasma und darauf basierenden Arzneimitteln hat, thematisierte der 1. PLASMA DIALOG der PHARMIG ACADEMY.

Der weltweite Bedarf an Blutplasma ist so hoch wie nie zuvor. Da Plasmaspenden Voraussetzung für die Herstellung vieler lebenswichtiger und dringend benötigter Arzneimittel sind, die Spende-Bereitschaft aber seit Jahren rückläufig ist, wird die Versorgung von Patientinnen und Patienten gerade in Zeiten der aktuellen SARS-CoV2-Pandemie deutlich erschwert. Dieser Herausforderung widmete sich der Ende September virtuell abgehaltene 1. PLASMA DIALOG der PHARMIG ACADEMY, moderiert von Mag. Tarek Leitner (ORF) mit mehr als 200 Gästen auf Initiative des Standing Committee Plasmaproteine der PHARMIG.

61,5 Millionen Liter Plasma werden pro Jahr weltweit gewonnen und dienen als Basis für wichtige Wirkstoffe, wie etwa Immunglobuline, um Infektionen abzuwehren, erklärt Keynote-Speaker Prof. Dr. Volker Wahn, langjähriger Experte auf dem Gebiet der Immunologie und derzeit an der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin am Virchow-Klinikum der Charité in Deutschlands sowie Sprecher des Deutschen Ärztenetzwerks für angeborene Immundefekte FIND-ID & Immundefekt.de. Vor allem die Nachfrage bei Immunglobulinen sei in den letzten Jahren aufgrund von Neudiagnosen und neuen Indikationen zunehmend gestiegen, die Plasmaspende-Bereitschaft in Europa hingegen in den letzten sechs Jahren gesunken. Da Blutplasma nicht synthetisch hergestellt werden kann, aber für den Einsatz in Therapien dringend benötigt wird, betont Wahn, dass es jetzt mehr denn je wichtiger sei, Plasma spenden zu gehen, um weniger von Importen aus Drittländern abhängig zu sein und die medizinische Versorgung sicher zu stellen.

A.o. Univ. Prof. PD Dr. Elisabeth Förster-Waldl, Leiterin des Center for Congenital Immunodeficiencies & Jeffrey Modell Center Vienna der Medizinischen Universität Wien, und Univ. Prof. Dr. Hermann Wolf, Facharzt für Immunologie mit Spezialgebiet Klinische Immunologie an der Immunologischen Tagesklinik Wien, bestätigen den hohen Bedarf an Blutplasmapräparaten im klinischen Alltag. Die SARS-CoV2 Pandemie habe sich laut Förster-Waldl aber nicht nur signifikant auf die Verfügbarkeit von Plasma ausgewirkt, sondern auch aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen auf die Betreuungsqualität von Betroffenen. Viele Patientinnen und Patienten befürchten eine Unterversorgung. Daher müsse der Einsatz von Plasma zielgenau geplant werden. Wolf nennt hier vor allem Immundefekte als Anwendungsgebiet. Gleichzeitig loben beide Ärzte das Engagement der Spendenden, die dafür sorgen, dass auch weiterhin Patientinnen und Patienten mit lebensnotwendigen Arzneimitteln aus Plasma behandelt werden können.

Jedes Jahr werden in Österreich rund 500.000 Liter Plasma gespendet und rund vier Millionen Liter Plasma hierzulande zu Arzneimitteln verarbeitet. Der Herstellungsprozess vom Zeitpunkt der Plasmaspende bis zum fertigen Plasmapräparat kann zwischen sechs und zwölf Monaten dauern, was kontinuierliches Sammeln von Blutplasma essenziell macht. Die Industrieexperten Dr. Matthias Gessner, Vorsitzender der IG Plasma, und Dr. Josef Weinberger, Vorsitzender des PHARMIG Standing Committee Plasmaproteine, betonten daher, dass das Fernbleiben der Bevölkerung von Spendezentren einen Engpass bei Arzneimitteln auf Blutplasmabasis bewirken könnte. Der hohe Wert, den Blutplasma für die Gesellschaft stifte, sei in der Öffentlichkeit noch zu wenig bekannt, der niederschwellige Zugang zur Plasmaspende in Österreich aber bundesweit möglich.

Ohne Blutplasmaspenden wäre eine Patientin wie Karin Modl nicht mehr am Leben. Ärzte entdeckten bei ihr im Alter von 38 Jahren einen angeborenen Immundefekt. Seither erhält sie zur Behandlung regelmäßig Immunglobulinpräparate. Dafür seien laut Modl über 150 Plasmaspenden im Jahr notwendig. Heute ist Modl Patientenvertreterin der Österreichischen Selbsthilfegruppe für primäre Immundefekte (ÖSPID). Ihr Leben verdanke sie Menschen wie der Spenderin Daniela Scheiber, die in den letzten 25 Jahren über 1.000 Mal Plasma gespendet hat. Das habe, so Scheiber, nicht nur den Effekt, anderen Menschen zu helfen, sondern auch den persönlichen Vorteil, regelmäßig selbst gründlich untersucht zu werden. Spendenbereite Menschen sollen sich nicht von der SARS-CoV2-Pandemie abschrecken lassen und Plasmaspendezentren ruhigen Gewissens aufsuchen.

Zum Thema Sicherheit nimmt DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin des Geschäftsfeldes AGES Medizinmarktaufsicht der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), Stellung und informiert über die Aufgaben ihrer Behörde im Zulassungsprozess von Arzneimitteln auf Blutplasmabasis. Jede Charge aus menschlichem Blutplasma werde im Herstellbetrieb und zusätzlich behördlich geprüft und freigegeben. Mit Blick auf die Plasmaversorgung habe sich die Anzahl der Chargen in den Kontrolllabors in den letzten zehn Jahren um 150 Prozent erhöht. Die Voraussetzung für die Versorgung mit sicheren Blutplasmapräparaten sei trotz des gestiegenen Aufwandes jedenfalls gewährleistet.

PD Dr. Robert Sauermann, stellvertretender Leiter der Abteilung Vertragspartner Medikamente im Dachverband der österreichischen Sozialversicherungen, erklärt, dass Arzneimittel, ob auf Blutplasmabasis oder nicht, pharmakologisch, medizinisch-therapeutisch und gesundheitsökonomisch evaluiert werden, um sie in den österreichischen Erstattungskodex aufnehmen zu können und somit den Patientinnen und Patienten den Zugang zu ermöglichen. So könne sichergestellt werden, dass Blutplasmaprodukte dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Die Pandemie führe vor Augen, dass es langfristige Planung brauche, um die Versorgung mit Plasma sicher zu stellen.

Fazit: Die Blutplasmaversorgung ist seit der SARS-CoV2-Pandemie deutlich erschwert. Zusätzlich zum bisher benötigten Blutplasma wird das Plasma genesener Corona-Patienten gebraucht. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Spenden ist aufgrund der Pandemie in der Öffentlichkeit höher als je zuvor. Durch Vorbildwirkung bei Plasmaspenden und intensive wissenschaftliche Forschung soll dazu beigetragen werden, die Plasmaversorgung jetzt und in Zukunft abzusichern.

Der 1. PLASMA DIALOG der PHARMIG ACADEMY wurde von Biotest Austria GmbH, CSL Behring GmbH, Kedrion Biopharma, Octapharma GmbH, BioLife/Takeda Austria und Plasma Protein Therapeutics Association (PPTA) unterstützt.

Ein kurzer Film über den 1. PLASMA DIALOG der PHARMIG ACADEMY ist hier abrufbar. Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie im Newsroom der PHARMIG ACADEMY.

Über die PHARMIG ACADEMY:

Die PHARMIG ACADEMY ist das Aus- und Weiterbildungsinstitut der PHARMIG, des Verbands der pharmazeutischen Industrie Österreichs. Sie bietet Seminare, Lehrgänge und Trainings zu allen Themen des Gesundheitswesens. Das Angebot orientiert sich an aktuellen Entwicklungen und richtet sich an alle, die Interesse am Gesundheitsbereich haben bzw. darin tätig sind. Das Format des Plasma Dialogs bietet allen Betroffenen, Interessierten und relevanten Akteuren eine offene Diskussionsplattform zu aktuellen Themen im Bereich von Blutplasma.

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