Um zu überleben, passen Zellen ihre Form konstant den äußeren Bedingungen an: Sie krümmen und strecken sich, und bewegen sich vorwärts. Dabei hilft ihnen ein Netzwerk von fadenförmigen Strukturen – das Cytoskelett – welche sich an der Innenseite der Plasmamembran befinden, die jede Zelle umgibt. Ein Schlüsselprotein für die Regulation dieses Cytoskeletts ist das Protein ROCK, das schon während der Embryonalentwicklung überlebenswichtig ist. Obwohl die bedeutende Rolle von ROCK bekannt ist und auch die Funktion dieses Proteins intensiv erforscht wurde, sind seine Struktur und die Mechanismen, durch welche es reguliert wird, weitgehend unbekannt.
Lage und Länge sind ausschlaggebend
Der Forschungsgruppe von Thomas Leonard ist es nun gelungen, die Struktur von ROCK aufzuklären. Sie zeigen, dass die Kinasedomäne, die dem Protein seine enzymatische Aktivität verleiht, durch eine 107 nm lange Spiralkette mit den Bindungsstellen an der Plasmamembran verbunden ist. Zum Vergleich: Der Durchmesser des kleinsten Einzellers beläuft sich auf 200 nm. Postdoktorandin Linda Truebestein und ihre KollegInnen beweisen, dass die Aktivität von ROCK in der Zelle von der Länge dieser Spiralkette abhängt, die also wie ein “molekulares Maßband” agiert. Dieser Mechanismus stellt eine völlig neue Art der räumlichen Kontrolle dar.
Parallelen zu einem Fahrzeugmotor
“Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Aktivität von ROCK durch die räumliche Anordnung der Kinasedomäne und des Substrats, also jenes Moleküls, das die Reaktion in Gang bringt, gesteuert wird. Man könnte dies auch mit einem Automotor vergleichen: Der Motor, in diesem Fall die Proteinkinase, läuft die ganze Zeit; das Auto, oder in diesem Fall die Zelle, bewegt sich jedoch nur, wenn die Kupplung – das Substrat – betätigt wird. Das ist ein bisher unbekannter Mechanismus zur Regulation von Proteinkinasen wie ROCK, bei denen ihre Aktivität ausschließlich von der präzisen räumlichen Positionierung von Enzym und Substrat abhängt”, sagt MFPL Gruppenleiter Thomas Leonard.
Zukünftige Herausforderungen
Nun wollen die ForscherInnen an den Max F. Perutz Laboratories herausfinden, was das “molekulare Maßband” genau überbrückt, und ob es noch andere Funktionen neben der Positionierung der Kinasedomänen – den aktiven Teilen des Moleküls – hat. “Wir konnten zeigen, dass das molekulare Maßband im Laufe der Evolution erhalten geblieben ist. Wir wissen jedoch noch nicht, ob nur die Länge des Maßbands eine Rolle spielt, oder ob dessen Funktion auch von seinem molekularen Aufbau abhängt”, sagt Linda Trübestein, die die Studien gemeinsam mit dem Doktorand Daniel Elsner durchführte.
Service: Nature Communications
Linda Truebestein, Daniel J. Elsner, Elisabeth Fuchs und Thomas A. Leonard: A molecular ruler regulates cytoskeletal remodeling by the Rho kinases. In: Nature Communications (December 2015). DOI: http://dx.doi.org/10.1038/ncomms10029