MedUni Wien: Diabetes: Faktor „Geschlecht“ von immer größerer Bedeutung

MedUni Wien-ForscherInnen zu einem Review zum Stand der geschlechtsspezifischen Unterschiede im Top-Journal „Endocrine Reviews“ eingeladen

Die internationalen Richtlinien für das Management von Diabetes mellitus (Typ 2) geben vor, Faktoren wie das Alter, das soziale Umfeld, die Dauer der Erkrankung oder begleitende gesundheitliche Beschwerden zu beachten. Das Geschlecht ist nicht beinhaltet. Aber genau das wird von immer größerer Bedeutung – denn Männer und Frauen tragen ein unterschiedliches Risiko und erkranken und leiden unterschiedlich an Diabetes, sodass auch die Behandlung zunehmend geschlechtsspezifisch und damit personalisiert sein sollte.

Das ist die wichtigste Erkenntnis eines weltweit erstmals in diesem ganzheitlichen Umfang verfassten Reviews zum Stand der geschlechtsspezifischen Unterschiede, zu dem die MedUni Wien-ForscherInnen Alexandra Kautzky-Willer und Jürgen Harreiter (beide von der Universitätsklinik für Innere Medizin III, Gender Medicine Unit) nun eingeladen wurden. Der Review ist im „Endocrine Reviews“ erschienen, jenem Journal in der Endokrinologie mit dem mit Abstand höchsten Impact-Faktor (21.059). Zudem wurde der Artikel der MedUni Wien-WissenschafterInnen auf dem Cover des Journals prominent gefeatured.

Andere Risikofaktoren, genetische Disposition und Biomarker bei Frauen und Männern
Die Fakten sprechen klar für eine geschlechtsspezifische Betrachtung und Behandlung von Diabetes mellitus, woran rund 600.000 ÖsterreicherInnen leiden: Männer haben biologisch ein grundsätzlich höheres Risiko, an Diabetes mellitus zu erkranken, Frauen sind unter anderem durch die erhöhte Ausschüttung des Hormons Östrogen lange „geschützt“ – bis es in der Menopause zu einer hormonellen Umstellung kommt und dieser Schutz abflaut. Das Risiko für die Männer ist zumeist auch erhöht, weil sie mehr Bauchfett und mehr Leberfett haben und eine niedrigere Insulinempfindlichkeit aufweisen, auch wenn sie nicht übergewichtig sind. Ein Testosteronmangel ist bei ihnen aber ein Risikofaktor, während bei Frauen höhere männliche Sexualhormone mit einem höheren Risiko einhergehen.

„Dagegen wurde gezeigt, dass das Fett an den Oberschenkeln, das bei den Frauen genetisch und Östrogen-bedingt häufiger ist, sogar schützend wirken kann. Andererseits hat bei ihnen der Bauchumfang eine bessere Diabetes-Voraussagekraft als bei Männern“, sagt Kautzky-Willer, Diabetes-Expertin und Österreichs erste Professorin für Gender Medicine. „Bei Frauen führen außerdem psychosozialer Stress und Stress im Job sowie mangelnde Entscheidungskompetenz bei großem Arbeitsdruck oder Schlafmangel häufiger zu Diabetes als bei Männern. Oft auch verstärkt durch Gewichtszunahme.“ Dafür sind Männer mehr gefährdet, später Diabetes zu entwickeln, wenn ihre Mütter in der Schwangerschaft unter Mangelernährung gelitten haben.

Auch bei den Biomarkern, die helfen können, frühzeitig das Diabetes-Risiko zu erkennen, gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede: So sind das von der Leber gebildete Protein Fetuin-A sowie Copeptin (ein im Hypothalamus gebildetes Prohormon), und Proneurotensin (ein Neurotransmitter) vielversprechende Biomarker bei Frauen, aber nicht bei Männern. Hier gilt das Hormon Leptin, das chemische Botschaften aussendet, das Essen einzustellen und Energie aus den Speichern, etwa Fettdepots, zu gewinnen, als starker Biomarker.

Auch Umwelteinflüsse als Risikofaktoren für Diabetes
„Immer bedeutsamer werden auch endokrine Disruptoren, also hormonaktive Stoffe“, betont Jürgen Harreiter. So wurde in Studien gezeigt, dass etwa synthetisch hergestellte Substanzen wie Bisphenol A oder Phatalate (Weichmacher), die in vielen Kunststoffartikeln enthalten sind, als Risikofaktoren für Diabetes gelten – und auch hier gibt es auch altersabhängig bei Männern und Frauen unterschiedliche Effekte.

Und auch regionale Unterschiede gibt es: So erkranken immer mehr Frauen in Ozeanien, Süd- und Zentralasien sowie im Mittleren Osten an Diabetes, wogegen die Erkrankung immer mehr Männer in reicheren Gegenden der Asien-Pazifik-Region betrifft, aber auch in Mitteleuropa.

Diabetes-Forschung: MedUni Wien europaweit top
Die erwähnten geschlechtsspezifischen Faktoren bei Diabetes sollen künftig noch mehr als bisher in die Praxis einfließen. Hierbei spielt die MedUni Wien europaweit eine führende Rolle, vor allem durch die interne Vernetzung der Forschungen an der Universitätsklinik für Innere Medizin III mit der Frauenheilkunde, dem Exzellenzzentrum für Hochfeld-MR, der Nephrologie, mit dem Zentrum für Public Health, aber auch mit dem Institut für die Wissenschaft komplexer Systeme, sowie durch starke internationale Kooperationen. Und die ÖDG (Österreichische Diabetes-Gesellschaft) mit Kautzky-Willer als stellvertretender Vorsitzenden und vielen MedUni Wien-Forschern in führenden Positionen, ist die einzige weltweit, die eigene geschlechtsspezifische Leitlinien in ihrem Programm hat.

Service: Endocrine Reviews
„Sex and Gender Differences in Risk, Pathophysiology and Complications of Type 2 Mellitus.“ Alexandra Kautzky-Willer, Jürgen Harreiter and Giovanni Pacini. Endocrine Reviews, June 2016, Volume 37/03. 37(3):278-316, doi: 10.1210/er.2015-1137.

Fünf Forschungscluster an der MedUni Wien
Insgesamt sind fünf Forschungscluster der MedUni Wien etabliert. Dort werden in der Grundlagen- wie in der klinischen Forschung vermehrt Schwerpunkte an der MedUni Wien gesetzt. Die Forschungscluster umfassen medizinische Bildgebung, Krebsforschung/Onkologie, kardiovaskuläre Medizin, medizinische Neurowissenschaften und Immunologie. Das vorliegende Paper fällt in den Themenbereich des Clusters für kardiovaskuläre Medizin.

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