LBI: Wie ein Kreisverkehr ohne Ausfahrt

Der „Wundbericht“ der Ludwig Boltzmann Forschungsgruppe Alterung und Wundheilung zeigt: Menschen mit chronischen Wunden leiden an ungenügender Koordination im Gesundheitswesen.

Damit Patient:innen die Chance auf ein Leben ohne chronische Wunde haben, müssen mehrere Gesundheitsberufe zusammenarbeiten. Denn Betroffene sind darauf angewiesen, dass Expert:innen die Ursachen ihrer beispielsweise offenen Beine erkennen und behandeln. Während chronische Wunden oft ältere Personen betreffen, erhöht die Zunahme an Gefäßerkrankungen und Diabetes auch bei jüngeren Menschen das Risiko. Die Ludwig Boltzmann Forschungsgruppe Alterung und Wundheilung hat mit Wund-Expert:innen gesprochen sowie verfügbare Dokumente ausgewertet und in einem Wundbericht zusammengefasst. Die Schlussfolgerung: im österreichischen System mangelt es aktuell an entsprechender Koordination.

Chronische Wunden nehmen in der Gesellschaft zu

Eine chronische Wunde bedeutet für die betroffene Person oft Schmerzen, einen großen Einschnitt in die Bewegungsfreiheit und damit einhergehend eine psychische Belastung. Das kann sozial isolieren und Lohnarbeit verunmöglichen. Im täglichen Leben sind auch die Angehörigen extrem gefordert. Es zeichnet sich ab, dass künftig wahrscheinlich mehr Österreicher:innen mit chronischen Wunden leben werden: Die Bevölkerung wird im Schnitt älter; zudem häufen sich Risikofaktoren in der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, wie etwa auch Adipositas. Das Problem wurde in Österreich bisher noch nicht wissenschaftlich untersucht.

“Unsere Vorstellung von Wunden ist stark von Verletzungen, wie Schnitt- oder Schürfwunden geprägt. Waschen, Pflaster drauf, passt schon. Chronische Wunden sind anders. Sie werden mit der Zeit oft sogar größer”, erklärt die Erstautorin und Forschungsgruppenmitarbeiterin Cornelia Schneider. Eine chronische Wunde muss mitunter mehrmals die Woche zeitaufwendig begutachtet, gesäubert und neu verbunden werden. Damit die Wunde verschwinden kann, braucht es aber vor allem eins: Kommunikation.

Kommunikation als entscheidender Lösungsansatz

Pflegefachkräfte, Ärzt:innen für Allgemeinmedizin sowie Fachärzt:innen der Dermatologie, Gefäßchirurgie, Angiologie und Diabetologie müssen sich über institutionelle Grenzen hinweg absprechen, damit bei der betroffenen Person die Ursache, also ihre Primärerkrankung, zum Beispiel eine bestimmte Durchblutungsstörung, gefunden und entsprechend behandelt wird. Die Kommunikation der Fachkräfte ermöglicht zudem, dass Patient:innen rasch die angemessenen Verbandsmaterialien erhalten können. Derzeit geschieht dies häufig nur, wenn sich Einzelpersonen engagieren. Eine österreichweit einheitliche Behandlungsqualität für alle Wund-Patient:innen kann so jedoch nicht gewährleistet werden. Aus unterschiedlichen Vorerkrankungs-“Einfahrten” kommend, wie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), venöser Insuffizienz oder Diabetes mellitus, drehen die Patient:innen im Kreisverkehr der Wundbehandlung gemeinsam ihre Runden – mitunter über Monate ohne gestellte Diagnose. Ob und wie schnell Personen da wieder herauskommen können – und möglichst nicht mit einer weiteren Wunde wieder hineingelangen – liegt neben der Beteiligung der Betroffenen vor allem in der Verantwortung der System-Gestalter:innen.

Statistische Lücken bestehen weiterhin

In ihrer Analyse sind die Forscher:innen auch auf viele statistische Lücken gestoßen. „Wenn ich von meiner Arbeit erzähle, dann höre ich regelmäßig: ‘meine Oma/mein Opa ist betroffen.’ Wir haben hier ein reales Problem. Doch statistisch ist es unsichtbar”, so Raffael Himmelsbach, Studienleiter und Co-Direktor der Forschungsgruppe. Das Ausmaß chronischer Wunden in Österreich und die Zusammensetzung nach unterschiedlichen Erkrankungsursachen kann nicht beobachtet werden, solange Diagnosen im hiesigen Gesundheitssystem nicht einheitlich erfasst werden. Ob es flächendeckend genügend Anlaufstellen für Betroffene gibt, bleibt weiter unsicher.

Der vollständige Bericht ist Open Access unter https://doi.org/10.5281/zenodo.6406108 verfügbar.

Die Ludwig Boltzmann Forschungsgruppe für Alterung und Wundheilung...

...ist eine Kooperation der Ludwig Boltzmann Gesellschaft und der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), unter Mitarbeit des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Wien. Sie ist am AUVA Traumazentrum Wien, Standort Lorenz Böhler, beheimatet und wird durch die Nationalstiftung finanziell gefördert. In der Gruppe forschen Menschen aus verschiedenen Disziplinen zusammen. Dr. Raffael Himmelsbach und a.O. Univ.-Prof. Dr. Heinz Redl leiten diese Arbeit, in welcher die Forscher:innen die Versorgung chronischer Wunden untersuchen; mit einem Open-Innovation-Ansatz Instrumente zur Gesundheitsförderung entwickeln; und im Labor die Rolle alternder Zellen bei nichtheilenden Wunden entschlüsseln.

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Laura Heller, MA
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