LBI: Neue Krebs-Therapie erfolgreich von Maus auf Mensch übertragen

Wissenschaftler am Ludwig Boltzmann Institut für Krebsforschung (LBI CR) und am Klinischen Institut für Pathologie der Medizinischen Universität Wien (AKH) unter der Leitung von Prof. Lukas Kenner untersuchten einen besonders aggressiven Tumor, das anaplastische großzellige Non-Hodgkin Lymphom (anaplastic large cell lymphoma – ALCL). Unter Verwendung eines genetischen Modells, das diese Erkrankung in der Maus exakt widerspiegelt konnten sie die zentrale Rolle des Schaltermoleküls PDGFR identifizieren. Ihre Ergebnisse ermöglichten dem Team um Kenner einen todkranken Patienten im Endstadium ALCL mit einem spezifischen PDGFR-Inhibitor zu behandeln. Innerhalb von nur 10 Tagen war der 27-jährige Patient tumorfrei, und führt seit mehr als 22 Monaten ein vollkommen normales Leben. Ohne diese Behandlung wäre der Patient vermutlich verstorben. Diese Ergebnisse wurden kürzlich in der renommierten Zeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht.

In Krebserkrankungen werden spezifische Gene angeschaltet, die Signale für das Tumorwachstum aktivieren. Ziel der modernen Krebsforschung ist es, den entscheidenden Schalter dieser Signalwege zu identifizieren und dann ganz gezielt auszuschalten (sogenannte targeted therapy). Klinisch gehört das anaplastische großzellige Lymphom (ALCL) zu den schwer zu heilenden Tumorerkrankungen. Vornehmlich Kinder und junge Erwachsene leiden an diesem Lymphom, die nach einer Therapie oft nach anfänglichem Erfolg einen Rückfall erleiden. Das deutet darauf hin, dass ALCL zum Zeitpunkt der Behandlung oft schon auf weiteren Signalmolekülen beruht, die derzeit nicht bekannt sind. ALCL zeichnet sich oft durch einen bestimmten genetischen Schaden aus. Eine chromosomale Translokation verursacht die Fusion zweier Gene, die das Onkoprotein Nukleophosmin-Anaplastische Lymphoma Kinase (NPM-ALK) produziert. Trotz der Kenntnis über die molekularen Details dieser Schädigung als Ursache für die Erkrankung, blieben die dadurch ausgelösten Folgen, die der Tumorerkrankung zu Grunde liegen lange unerkannt. Lukas Kenner erklärt, „Die molekularen Prozesse, die durch NPM-ALK ausgelöst eine Tumorerkrankung hervorrufen sind bislang nicht bekannt gewesen.“

Die Gruppe um Kenner untersuchten ein Mausmodell der Erkrankung, das das Fusionsprotein NPM-ALK produziert und so den genetischen Schaden in ALCL simuliert. Die Forscher analysierten welche molekularen Folgen ausgelöst durch das Transgen ALCL unterstützen. Dabei erschien der PDGFR eine zentrale Rolle zu spielen. Dieses Molekül wurde bereits in vielen Tumoren identifiziert, bislang aber nicht mit ALCL in Verbindung gebracht. Deshalb entschloss sich Kenner den PDGFR mit dem Hemmstoff Imatinib auszuschalten, das bereits als Krebstherapeutikum eingesetzt wird. Imatinib und Crizotinib
gemeinsam konnten das Überleben der NPM-ALK Mäuse deutlich verlängern und auch transplantierte Tumor zeigten ein verringertes Wachstum. Kenner betont ausdrücklich, „Entscheidend für unsere Forschung war die Möglichkeit die Tumoren in einem Mausmodell zu erforschen. Aussagekräftige Ergebnisse mit einem neuen Therapeutikum lassen sich nur so erzielen.“

Nach den Erfolgen im Mausmodell suchte das Forscherteam die Ergebnisse in ALCL Tumoren von Patienten zu bestätigen. Mittels der HistoQuant Technologie des Kooperationspartners TissueGnostics GMBH konnte nachgewiesen werde, dass von über 250 Tumorproben mehr als 90 % eine starke Aktivierung von PDGFR aufwiesen. Diese Ergebnisse veranlassten Kenner Imatinib als Therapie in einem ALCL Patienten zu testen. Nach ethischer Freigabe und Einverständniserklärung wurde ein ALCL Patient im Endstadium der Krankheit mit Imatinib behandelt. Diese experimentelle Behandlung heilte den Todkranken und nach 22 Monaten ist der vormals Todkranke vollkommen beschwerdefrei und sogar wieder arbeitsfähig. Lukas Kenner berichtet, „Für eine abschließende Beurteilung ist es noch zu früh, aber diese Behandlung war jedenfalls deutlich lebensverlängernd. Ohne einen Versuch im Tiermodell hätten wir weder die wissenschaftliche noch die ethische Grundlage für dieses Vorgehen gehabt. Unsere Mausexperimente haben nach allem was wir heute wissen diesem Menschen das Leben gerettet.“ Diese Ergebnisse zeigen, dass PDGFR Hemmung eine effiziente Therapie von ALCL sein könnte und wurden in der anerkannten Zeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht. Kenner und sein Team untersuchen derzeit die Grundlage für den erstaunlichen Therapieerfolg. Auch eine multizentrische Studie ist bereits in der Planung, um die beschriebenen Ergebnisse mit einer größeren Anzahl von Patienten zu bestätigen und diese Therapie allen geeigneten ALCL Patienten zugänglich zu machen.

Über Lymphome:
(Quelle: Kompetenznetz maligne Lymphome @ http://www.lymphome.de/)
ALCL gehört zur Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome (NHL), darunter werden alle bösartigen Erkrankungen des lymphatischen Systems außer den Hodgkin-Lymphomen zusammengefasst. Diese sehr heterogenen Erkrankungen können sich in ihrer feingeweblichen Struktur (Histologie) und ihrem Krankheitsverlauf stark unterscheiden. Zur Therapie von Non-Hodgkin-Lymphomen stehen eine Reihe von Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Aufgrund der Vielzahl von unterschiedlichen Lymphom-Typen ist es jedoch nicht möglich eine Standardtherapie zu benennen, vielmehr wird die Behandlung der jeweiligen Erkrankung und dem Stadium angepasst. Für die hier beschriebenen ALCL stehen Chemotherapeutika und Crizotinib zur Verfügung. Aufgrund der Aggressivität der Erkrankung erleben aber viele Patienten nach anfänglichem Therapieerfolg einen lebensbedrohlichen Rückfall.

Über das Ludwig Boltzmann Institut für Krebsforschung (LBI-CR):
Das LBI-CR, ein Institut der Luwig Boltzmann Gesellschaft, konzentriert sich auf die Entwicklung neuer Mausmodelle für Krebserkrankungen und deren Analyse um neue Einsichten über die Grundlagen von Krebserkrankungen zu erreichen. Das Institut forscht auf internationalem Niveau an den Grundlagen der Krebsentstehung mit modernsten genetischen Methoden. Mit einem besonderen Fokus für die Signalkooperation in Tumorzellen verfolgen die Forscher das Ziel wissenschaftliche Errungenschaften in neue therapeutische Ansätze zu übersetzen. Das LBI-CR führt seine Forschung in enger Zusammenarbeit mit seinen Partnern Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie, Medizinische Universität Wien, Verterinärmedizinische Universität, St. Anna Kinderkrebsforschung und TissueGnostics durch.

Kenner hat am Institut für Pathologische Anatomie der Universität Graz promoviert. 2001 hat L. Kenner für Pathologie und molekulare Pathologie habilitiert und leitet seit 2004 eine eigene Arbeitsgruppe am Institut für klinische Pathologie in Wien und seit 2005 zusätzlich am LBI-CR. Davor war L. Kenner wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Erwin F. Wagner am Institut für molekulare Pathologie (IMP) in Wien. Kenner forscht zum Thema pathogenetischer Mechanismen maligner Non-Hodgkin-Lymphome und des Jak/Stat Signalweges im Prostatakarzinom. Die wissenschaftliche Arbeit von L. Kenner wurde in führenden wissenschaftlichen Zeitschriften, wie z.B. Nature, Nature Cell Biology, Nature Genetics, Cell, und Developmental Cell veröffentlicht.

Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft als Trägerorganisation:
Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) ist eine außeruniversitäre Forschungsorganisation mit Sitz in Wien und betreibt Forschungsinstitute (Ludwig Boltzmann Institute) in den Bereichen der Humanmedizin / Life Sciences sowie der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften. Sie initiiert gemeinsam mit akademischen und anwendenden Partnern innovative Forschungsthemen und ist spezialisiert auf translationale Forschung - die Brücke zwischen Grundlagenforschung und Anwendung. So arbeiten in medizinischen Instituten Teams aus Grundlagenforschern und Klinikern in einem Zentrum zusammen und sind
dadurch Katalysatoren für die Verbindung von präklinischer Spitzenforschung und klinischer Medizin. Derzeit betreibt die LBG 20 LBI und 5 Cluster mit rund 380 MitarbeiterInnen. Die Einrichtung von Ludwig Boltzmann Instituten (LBI) für eine befristete Laufzeit erfolgt aufgrund von Ausschreibungen mit internationalen Begutachtungsverfahren.

Kollaborationen:
Die Forschung wurde in Kooperation mit den folgenden Forschunginstitutionen durchgeführt: Harvard Medical School, New York University School of Medicine, University of Bologna, University of Edinburgh, University of Torino, Center for Molecular Medicine of the Austrian Academy of Sciences, Institute of Molecular Biotechnology of the Austrian Academy of Sciences, Ludwig Boltzmann Cluster Oncology, Medizinische Universität Graz, Medizinische Universität Wien, Paracelsus Medizinische Universität in Salzburg, Veterinärmedizische Universität Wien, Research Institute of Molecular Pathology. Entscheidend für Arbeit war auch die HistoQuant Technologie der Firma TissueGnostics, mit der Tumoren auf ihre molekularen Eigenschaften quantitativ untersucht wurden.

Finanzielle Unterstützung:
Lukas Kenner profitiert von der finanziellen Unterstützung für seine Forschung durch die Ludwig Boltzmann Gesellschaft, den „Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung“ (FWF, P-18478-B12) und das GEN-AU Projekt “Inflammobiota”.

Links:
http://www.nature.com/nm/index.html
Laimer et al. “Identification of PDGFR blockade as a rational and highly effective therapy for NPM-ALK driven lymphomas.” Nature Medicine, in press (2012)

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