European Society of Radiology: Debatte über zukünftige Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf die Radiologie am European Congress of Radiology (ECR 2019)

Ob künstliche Intelligenz (KI) Radiologen ersetzen oder ihre Arbeit erleichtern wird, wird schon länger intensiv diskutiert, aber kann die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung überhaupt mit dem Hype um die KI Schritt halten, und was wird die Zukunft bringen? Diese Fragen werden am ECR 2019, der zurzeit im Wiener Austria Center stattfindet, heiß diskutiert.

Ende 2016 sorgte Geoffrey Hinton, britischer Informatiker und Kognitionspsychologe, mit seiner Aussage für Aufsehen, dass es offensichtlich sei, dass man die Ausbildung von Radiologen einstellen sollte, da sie bald durch künstliche Intelligenz ersetzt werden. Seine damaligen Worte haben eine heftige Debatte unter Radiologen und Wissenschaftlern ausgelöst, und bis heute fehlen jegliche Anzeichen, die seine Aussage unterstützen würden. Dem schließt sich auch Prof. Bram van Ginneken, Professor am Department of Radiology der Radboud University, Niederlande, an, der am ECR 2019 über Grundlagen des deep learning und machine learning spricht.

Automatisierung einfacher Aufgaben möglich

Künstliche Intelligenz verspricht die Automatisierung einfacher, sich wiederholender Aufgaben. Einige Arbeiten, wie z.B. das Screening von Routinemammographien, benötigen keine Radiologen, es sei denn, es wird eine Anomalie festgestellt – was in 1–2% der Fälle vorkommt, stellte Van Ginneken fest. Thirona, ein Unternehmen, das er 2014 mitbegründete, hat bereits ein Produkt auf dem Markt, das CT-Scans analysiert, um zu prüfen, ob Patienten für bestimmte Behandlungen der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) in Frage kommen.

"Wir haben Hunderte von Krankenhäusern weltweit, die uns CT-Scans schicken", erklärte er. "Unsere Kunden sind Lungenärzte, und sie haben früher einen Radiologen gebeten, sich bestimmte Dinge anzusehen, aber jetzt schicken sie die Scans an eine externe Firma und der Radiologe ist aus dem Spiel."

Algorithmen könnten Radiologen helfen, Vorhersagen über die wahrscheinliche Prognose einer Krankheit oder die Wirkung einer Behandlung zu treffen, indem sie Informationen jenseits bekannter Marker nutzen, so Dr. Georg Langs, außerordentlicher Professor am Lehrstuhl für Biomedizinische Bildgebung und bildgestützte Therapie der Medizinischen Universität Wien.

Die durch unbeaufsichtigtes Lernen gewonnenen Daten können verwendet werden, um Hypothesen für die medizinische Forschung zu erstellen oder die Bereitstellung personalisierter Medikamente zu ermöglichen. Unüberwachtes Lernen (englisch unsupervised learning) bezeichnet maschinelles Lernen ohne im Voraus bekannte Zielwerte.

"Die Rolle der Radiologen wird sich ändern, und ich traue mich zu spekulieren, dass sie mehr und mehr zu umfassenden Sammlern, Integratoren und Interpreten von Informationen werden – und nicht nur von Bildinformationen", so Langs. "Die KI ist hilfreich, weil diese Entwicklung ohne sie nicht möglich wäre."

Prof. Polina Golland, Professorin für Elektrotechnik und Informatik am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA, ist ebenfalls Vortragende am ECR 2019.

"Das maschinelle Lernen wird Radiologen von mühsamen Aufgaben befreien, so dass sie mehr und anspruchsvollere Aufgaben erledigen können", sagte sie. "Analog zur Frage, wie der PC die Art und Weise verändert hat, wie die Buchhaltung im Unternehmen betrieben wird. Im Nachhinein ist die Antwort, dass die Leute aufgehört haben, Arithmetik von Hand oder auf einem Taschenrechner zu machen – alles wird automatisch von einer Tabellenkalkulation erledigt."

Hohe Erwartungen nicht erfüllt?

Obwohl spezifische Aufgaben mittels Software erledigt werden können, hat die KI nach Ansicht einiger Beobachter nicht alle ihre Erwartungen erfüllt.

"Man sieht, wie Google Health im Bereich der Medizin kämpft, während sie in anderen Bereichen erfolgreich sind", sagt Dr. Bram Stieltjes, Forschungsleiter am Universitätsspital Basel, Schweiz.

Einige Technologien, wie z.B. Deep Learning, haben nach den ersten Durchbrüchen keine großen Fortschritte mehr gemacht, sagt van Ginneken, und die IT-Abteilungen von Krankenhäusern installieren die verfügbare Software oft nur langsam. Er erwartet, dass Radiologen in 5–10 Jahren 10–30 Softwarepakete kaufen können, die, wenn er optimistisch ist, 10–15% ihrer mühsamsten Aufgaben ersetzen werden. Der Hype um die KI wird von Unternehmen getrieben, die versuchen, Geld von Investoren zu bekommen, argumentiert er.

"Sie versprechen fantastische Dinge und machen starke Versprechungen, aber man sieht bereits, dass sie nicht halten", sagte van Ginneken.

Enge Zusammenarbeit als Mittel zum Erfolg

Das relativ langsame Entwicklungstempo ist auf die Unterschiede zwischen allgemeiner Bilderkennung und medizinischer Bildgebung zurückzuführen. Langs weist darauf hin, dass Radiologen und Forscher des maschinellen Lernens eng zusammenarbeiten müssen, um diese Probleme zu überwinden und wirklich neue Ansätze zu entwickeln.

"Wenn ein Algorithmus zur allgemeinen visuellen Erkennung auf die medizinische Bildgebung angewendet wird, hat er Schwierigkeiten, klinisch aussagekräftige Ergebnisse zu liefern, da die dominante Variabilität, der er ausgesetzt ist, nur eine natürliche Variabilität ist – Leber und Lunge sind bei jedem Menschen unterschiedlich – und der größte Teil der Variabilität ist nicht mit einer Krankheit verbunden", so Langs.

Auch die Technologie zur Entwicklung von Algorithmen steht vor Herausforderungen, wie eine zweijährige Studie zur Entwicklung eines Algorithmus zur Klassifizierung von Tumoren belegt.

Die Studie umfasste 4.000 Läsionen, bei dem ein Algorithmus mit Bildern trainiert wird, bei denen die Läsion manuell markiert wird, die richtigen Diagnosen also bereits bekannt sind.

"Ich denke, dies ist eine der größten Studien, die je durchgeführt wurde, aber sie ist – bei weitem – nicht gut genug, um die gestellte Aufgabe zu erledigen", klärt Stieltjes auf.

Selbst bei 4.000 beschrifteten Bildern war der Datensatz nicht groß genug, um den Algorithmus zu trainieren. Unüberwachtes Lernen andererseits, bei dem der Algorithmus aus Zufallsbildern über Tumore lernt, war nicht erfolgreich, um so komplexe Aufgaben wie das Staging von Tumoren zu erlernen.

Um die Bildermenge zu vergrößern, die für die Schulung eines Algorithmus zur Verfügung stehen, arbeiten Stieltjes und seine Kollegen derzeit daran, die Annotation für die KI als Teil des radiologischen Workflows aufzunehmen. Eine weitere wichtige Botschaft seines Vortrags wird sein, dass Projekte zur Entwicklung von überwachten Lernalgorithmen Bilder von mehreren Standorten verwenden müssen.

Langfristige Vorhersagen seien jedoch immer schwer zu treffen, sagte er. Die Erfindung des deep learning war eine Überraschung, und niemand kann jemals sicher sein, wann der nächste unerwartete Durchbruch sein könnte.

Der ECR ist das jährliche Treffen der European Society of Radiology (ESR), die mehr als 101.000 Mitglieder weltweit vertritt, der European Federation of Radiographer Societies (EFRS) und der European Society for Hybrid, Molecular and Translational Imaging (ESHIMT). Der ECR ist einer der größten medizinischen Kongresse der Welt und zieht mehr als 28.000 Kongressteilnehmer an. Mit 300 Unternehmen, die auf mehr als 26.000 m² ausstellen, ist die Industrieausstellung auch eine der größten in Europa. 2019 feiert der ECR vom 27.02-03.03 seinen 25ten Jubiläumskongress in Wien.

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