CeMM, MedUni Wien, MedUni Innsbruck und AGES: Neue Einsichten in SARS-CoV-2 Cluster in Österreich mit der Sequenzierung von mehr als 200 Virusgenomen

216 SARS-CoV-2-Genomsequenzen wurden nunmehr fertiggestellt und im Rahmen des Projekts „Mutationsdynamik von SARS-CoV-2 in Österreich“ freigegeben. Dieses Projekt des CeMM, Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, wird in enger Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Wien, der Medizinischen Universität Innsbruck und der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) durchgeführt. Diese Daten repräsentieren einen weiteren Projektmeilenstein und sollen zu einem besseren Verständnis der Mutationswege und der Evolution der österreichischen SARS-CoV-2 Virenstämme beitragen. Im Zuge dieser Freigabe haben CeMM-ForscherInnen auch eine eigene Website eingerichtet, die WissenschaftlerInnen und der interessierten Bevölkerung Hintergrundinformationen bietet, sowie interaktiven Zugriff auf die Daten erlaubt. Die Virusgenome lassen sich mittels der von CeMM bereitgestellten Visualisierungstools und dem Open-Source-Projekt Nextstrain interaktiv und intuitiv erforschen.

Mit gemeinsamen Anstrengungen beispiellosen Ausmaßes stemmen sich WissenschaftlerInnen weltweit gegen die Ausbreitung des pandemischen SARS-Cov-2-Virus in der menschlichen Bevölkerung, mit dem Ziel die virologischen, immunologischen und krankmachenden Eigenschaften des Virus zu enträtseln. Genomsequenzen von weltweit zirkulierenden SARS-CoV-2- Viren werden veröffentlicht und der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft frei zur Verfügung gestellt. Ein besseres Verständnis der Evolution des Virus wird entscheidend sein, um die zugrunde liegende Mutationsdynamik zu verstehen und die Entwicklung von wirksamen antiviralen Behandlungs- und Impfstrategien zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie zu unterstützen.

In Österreich leisteten CeMM-ForscherInnen zusammen mit KooperationspartnerInnen der Medizinischen Universität Wien Pionierarbeit bei der Sequenzierung der ersten Genome aus Proben österreichischer PatientInnen. Im Rahmen des Projekts „Mutationsdynamik von SARS-CoV-2“ wurden die ersten Resultate bereits Anfang April 2020 der Öffentlichkeit und der internationalen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellt. Diese auf intensive Zusammenarbeit beruhende Initiative unter der Leitung der Principal Investigators Andreas Bergthaler und Christoph Bock am CeMM setzt sich die Durchleuchtung von 1.000 SARS-CoV-2-Genomen österreichischer PatientInnen mittels modernster Techniken der Next-Generation-Sequenzierung und hochentwickelter Computeranalysen zum Ziel. Das Projekt umfasst ein breites nationales Kooperationsnetzwerk mit PartnerInnen aus der Medizinischen Universität Wien (Judith Aberle, Stephan Aberle, Elisabeth Puchhammer-Stöckl), der Medizinischen Universität Innsbruck (Wegene Borena, Dorothee von Laer; Manfred Nairz, Günter Weiss) und der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Daniela Schmid, Peter Hufnagl) sowie Krankenhäuser und diagnostische Laboratorien.

Aufbauend auf den ersten 21 Genomsequenzen, die am 3. April 2020 von diesem Kooperationsnetzwerk veröffentlicht wurden, liefert die Veröffentlichung von 216 neuen SARS-CoV2-Genomen aus ganz Österreich ein genaueres Bild der zirkulierenden Viren und der frühen Phase der COVID-19-Pandemie. Die genetischen Unterschiede des Genoms zeigen, dass sich beim in der frühen Phase der Pandemie zirkulierende Virenpool bereits eine große Vielfalt zeigte und einige Viren zu größeren Übertragungsclustern führten als andere. Österreich profitiert dabei von der gewissenhaften Rückverfolgung der Infektionsketten (Contact Tracing) durch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), welche bisher mehr als 250 Cluster an COVID-19-Fällen ermittelte. „Unsere integrative Analyse der neuen SARS-CoV-2- Genominformationen mit epidemiologischen Daten liefert wertvolle neue Erkenntnisse darüber, wie sich das Virus im Land ausgebreitet hat. Die Sequenzdaten des Virus bestätigen epidemiologische Erkenntnisse aus dem Contact Tracing von virologischer Seite. Zeitgleich konnten wir sowohl die Heterogenität innerhalb von Clustern beobachten als auch Hinweise auf mehrere, gleichzeitig zirkulierende Viren sammeln“, so Andreas Bergthaler, Projekt-Koordinator und Principal Investigator am CeMM.

Die molekulare Sequenzanalyse ergab durchschnittlich 6,9 Mutationen pro Genom, von denen mehr als 4 zu veränderten Aminosäuren führten. Weltweit besonders im Fokus des Interesses stehen die Mutationen im viralen S- oder Spike-Protein, welcher die Oberfläche des Virions ziert und dem Coronavirus das namensgebende, kronenartige Aussehen verleiht. Das virale SProtein ist für die Anbindung an den Zellrezeptor ACE2 essenziell und auch das primäre Ziel für neutralisierende Antikörper. Als solches sind Mutationen in dieser Region für die Entwicklung serologischer Tests und den antikörperbedingten Schutz durch Schutzimpfungen wichtig. In allen österreichischen SARS-CoV-2-Genomen haben wir insgesamt 12 mutierte Veränderungen im 1.273 Aminosäuren langen S-Protein identifiziert. Darunter befindet sich die Virusmutation D614G, welche eine frühe Gabelung der Transmissionskette von SARS-CoV-2 in Europa darstellt. D614G findet sich auch in der Mehrzahl der Virusgenome aus Österreich. Die funktionellen Konsequenzen der D614G Mutation werden gegenwärtig von mehreren internationalen Forschungsgruppen untersucht.

Aktuell laufen vertiefende Analysen mit einem interdisziplinären Team aus den Bereichen Genomik, biomathematische Modellierung, Evolutionsbiologie und Virologie, aus denen neue Erkenntnisse darüber erwartet werden, wie das S-Protein und andere virale Proteine mutieren sowie darüber, wie diese Mutationen zwischen einzelnen Personen übertragen werden.

Neben der internationalen Veröffentlichung der Virusgenome verstärkt CeMM seine Bemühungen, Wissenschaft zu kommunizieren und eine breite Öffentlichkeit an den Forschungsaktivitäten zur derzeitigen Viruspandemie teilhaben zu lassen. Dazu haben CeMM-ForscherInnen eine online frei verfügbare interaktive Datenbank namens Nextstrain Austria entwickelt, die auf Basis des OpenSource-Projekts Nextstrain.org den interessierten AnwenderInnen erlaubt, alle sequenzierten österreichischen Virusgenome mit mehr als 8.000 Virusgenomen aus der ganzen Welt zu vergleichen (https://cemm.at/sars-cov-2/). Kurze Erläuterungstexte werden bereitgestellt, die aufschlussreiche Erkenntnisse aus den generierten SARS-CoV-2 Genomsequenzen aufbereiten und visualisieren. Dies erschließt die von CeMM und seinen PartnerInnen generierten Resultate einem breiteren Publikum und gestattet es WissenschaftlerInnen und der interessierten Bevölkerung, die Virussequenzen aus Österreich mit Hilfe eines intuitiven Designs weiter zu erforschen. Nextstrain Austria und die Erläuterungstexte (auf Deutsch und Englisch) sind unter cemm.at/sars-cov-2/ abrufbar. Diese Seite wird regelmäßig aktualisiert werden, und bietet Einblicke aus erster Hand in die laufende intensive Forschung zum SARS-CoV-2-Virus.

Das Projektteam setzt seine Bemühungen zur Sequenzierung von 1.000 SARS-CoV-2 Virusgenomen fort, womit ein genaues Bild der auftretenden Virusmutationen und Virusübertragungen geliefert werden soll. Damit sollen EpidemiologInnen, medizinischen Fachkräften und GesundheitsexpertInnen wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse zur Beurteilung der Übertragungswege des Virus sowie seines Potentials zur Unterwanderung einer impfstoff-induzierten Immunantwort und zur Ausbildung einer Resistenz gegen antivirale Medikamente an die Hand gegeben werden. Darüber hinaus kann sich die Bevölkerung hautnah über die laufende Forschung zur COVID-19 Pandemie informieren.

Link zu SARS-CoV-2 Genomdaten:

Die Sequenzen, dazugehörige Informationen und der Blog sind unter https://cemm.at/sars-cov-2/ abrufbar.

Über das Projek

Das Projekt „Mutationsdynamik von SARS-CoV-2 in Österreich“ wurde am 27. März 2020 auf Initiative des CeMM in enger Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Wien ins Leben gerufen. Ein interdisziplinäres Team am CeMM unter der Projektleitung des Virologen Andreas Bergthaler und des Bioinformatikers Christoph Bock wird die SARS-CoV-2-Genomentwicklung bei österreichischen PatientInnen mittels modernster Techniken der Next-Generation-Sequenzierung und hochentwickelter Computeranalysen untersuchen. Dieses Projekt ist eine Open-Source-Plattform mit vielen mitwirkenden Institutionen, welches sich zum Ziel gesetzt hat, 1.000 virale Genome von PatientInnen zu analysieren, um die Mutationsdynamik von SARS-CoV-2 in Österreich zu entschlüsseln. Die Sequenzinformationen werden über öffentliche Datenbanken wie GISAID und nextstrain.org rasch verbreitet, um damit zu den intensiven internationalen Forschungsanstrengungen beizutragen. https://cemm.at/research/sars-cov-2-at/ 

Förderung

Das Projekt wird durch eine COVID19-Rapid Response Förderung des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) sowie durch Sachleistungen des CeMM, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Medizinischen Universität Wien und der jeweiligen Partner kofinanziert.

Über das CeMM

Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter der wissenschaftlichen Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Instituts befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien. www.cemm.oeaw.ac.at

Über die Medizinische Universität Wien

Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit 5.500 MitarbeiterInnen, 26 Universitätskliniken und zwei klinischen Instituten, 12 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie auch zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich. www.meduniwien.ac.at

Über die Österreichische Akademie der Wissenschaften

Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist Österreichs zentrale außeruniversitäre Einrichtung für Wissenschaft und Forschung. 1847 als Gelehrtengesellschaft gegründet, steht sie mit ihren heute über 770 Mitgliedern sowie rund 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für innovative Grundlagenforschung, interdisziplinären Wissensaustausch und die Vermittlung neuer Erkenntnisse – mit dem Ziel zum wissenschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Fortschritt beizutragen. Die ÖAW betreibt 27 Forschungsinstitute im Bereich der innovativen, anwendungsoffenen Grundlagenforschung in den Geistes-, Kultur-, Sozial- und Naturwissenschaften. www.oeaw.ac.at 

Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an

Laura Alvarez
Social Media and Communications Manager

CeMM
Research Center for Molecular Medicine
of the Austrian Academy of Sciences
Lazarettgasse 14, AKH BT 25.3
1090 Wien
Tel +43-1/40160-70 057
Fax +43-1/40160-970 000 
lalvarez(at)cemm.oeaw.ac.at
www.cemm.oeaw.ac.at 

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