CeMM: Medikamentenentwicklung: Erste hochskalierbare Methode zur Untersuchung der Proteinlevel und Proteinlokalisierungen in Zellen entwickelt

Eine Möglichkeit, die Rolle von Proteinen in Zellen zu untersuchen, ist ein einzelnes Protein mit einer Fluoreszenzmarkierung zu versehen und mittels Mikroskopie in der Zelle zu beobachten. Dieser Ansatz beschränkt die Anzahl der Proteine und Zellen, die untersucht werden können, und schließt unvoreingenommene Forschungsansätze aus. ForscherInnen des CeMM Forschungszentrums für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben nun eine hochskalierbare Methode entwickelt, die es erlaubt, Hunderte von Proteinen parallel zu untersuchen, um die Veränderungen ihrer Mengen und Lokalisierungen in der Zelle zu verfolgen. Diese neuartige Strategie kann beispielsweise verwendet werden, um die Auswirkungen von Wirkstoffkandidaten auf zahlreiche Proteine in der Zelle zu beobachten und stellt somit einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung und Charakterisierung von Medikamenten gegen Krankheiten wie Krebs dar. Die Erkenntnisse wurden nun im international renommierten Fachjournal Genome Research veröffentlicht.

Proteine sind große Moleküle in der Zelle, die für Struktur und Funktion von Gewebe und Organen im Körper erforderlich sind. Sie sind für fast alle Aufgaben des zellulären Lebens verantwortlich und können so vielfältig sein wie die Funktionen, die sie erfüllen. Die Mengen und Lokalisierungen von Proteinen innerhalb der Zelle steuern wichtige Aspekte vieler zellulärer Prozesse und können als Ziele für die Entwicklung von Medikamenten fungieren.

Traditionell verwenden WissenschaftlerInnen eine Fluoreszenzmarkierung, um einzelne Proteine zu markieren und ihre Rolle in der Zelle zu untersuchen. Diese Methode erlaubt es, zum Beispiel die Effekte verschiedener Medikamentendosierungen auf ein einzelnes Protein zeitaufgelöst zu untersuchen

Andreas Reicher und Anna Koren aus der Gruppe von CeMM-Principal Investigator Stefan Kubicek haben eine neuartige Strategie entwickelt, die es zum ersten Mal erlaubt, Veränderungen in einer sehr hohen Anzahl von Proteinen parallel zu beobachten und zu charakterisieren. Mit dieser Methode können nicht nur die Wirkungen bestimmter bekannter Medikamente in den Zellen beschrieben und besser verstanden werden, sondern auch neue Wirkstoffe entdeckt werden, die durch Beeinflussung der Proteinspiegel oder -lokalisationen in den Zellen wirken.

Beschleunigung bei Entwicklung von Medikamenten

Die CeMM-ForscherInnen entwickelten eine CRISPR-Cas9 basierende IntronMarkierungsstrategie, um Zellpools zu erzeugen, die Hunderte von markierten Proteinen enthielten, wobei in jeder Zelle ein anderes Protein mit GFP markiert wurde. Diese Zellpools wurden nun niedermolekularen Substanzen wie einem Molekül zum chemischen Abbau von BRD4 sowie dem zugelassenen Krebsmedikament Methotrexat ausgesetzt. Die ForscherInnen beobachteten dann mithilfe der Zeitraffermikroskopie, ob es als Reaktion auf die angewandte Behandlung zu Veränderungen in der Konzentration oder subzellulären Lokalisierung der markierten Proteine in irgendeiner der Zellen im Pool kam. Die von ihnen angewandte Markierungsstrategie ermöglichte es ihnen dann, mithilfe von In-situ-Sequenzierung festzustellen, welche der hunderten Proteine im Zellpool die Lokalisierung veränderten. Auf diese Weise konnten sie sowohl erwartete als auch bisher unbekannte Auswirkungen dieser Substanzen auf die Abundanz und Lokalisation einzelner Protein feststellen.

„Unsere Studie beschreibt eine Technologie, die nicht nur zum ersten Mal Intron-Markierung auf einen Genpool anwendet, sondern auch in allen drei Schritten – Intron-Markierung, zelluläre Bildgebung und In-situ-Sequenzierung – deutlich optimiert wurde. Diese Methode kann auf chemische Bibliotheken und Kandidatenmoleküle angewandt werden, um Wirkstoffe zu entwickeln und umfassend zu charakterisieren. Dadurch kann die Entwicklung von Medikamenten mit neuartigen Wirkmechanismen, wie der Induktion des chemischen Proteinabbaus und der Veränderung von Protein-Protein-Interaktionen, beschleunigt werden. Zudem wird die neue Strategie auch großen Einfluss auf die Untersuchung der globalen und subzellulären Proteomdynamik haben“, erklärt Stefan Kubicek.

Die Studie

Die Studie „Pooled protein tagging, cellular imaging, and in situ sequencing for monitoring drug action in real time“ wurde am 17. November 2020 in Genome Research veröffentlicht. DOI: http://www.genome.org/cgi/doi/10.1101/gr.261503.120 

AutorInnen:

Andreas Reicher, Anna Koren, Stefan Kubicek

Fördermittel

Die Studie wurde mit Unterstützung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, der Österreichische Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung, des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) (Projektnummer F4701-614 B20) sowie mit Forschungsgeldern des Europäischen Forschungsrats (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms „Horizont 2020“ der Europäischen Union finanziert (ERC-CoG-772437). Andreas Reicher wurde durch ein PhD-Stipendium des Boehringer Ingelheim Fonds unterstützt.

Stefan Kubicek

Stefan Kubicek ist seit August 2010 am CeMM tätig. Er erhielt einen Abschluss der Studienrichtung synthetische organische Chemie an der TU Wien nach Anfertigung einer Diplomarbeit an der ETH Zürich. Für seinen PhD-Abschluss im Labor von Thomas Jenuwein am IMP in Wien wechselte er zur Molekularbiologie. Anschließend forschte er als Postdoktorand auf dem Gebiet der chemischen Biologie bei Stuart Schreiber am Broad Institute of Harvard and MIT. Stefan Kubicek leitet die chemische Screening-Plattform und PLACEBO (Platform Austria for Chemical Biology), und war Leiter des Christian Doppler Labors für chemische Epigenetik und Antiinfektiva, ein Public Private Partnership zwischen CeMM, Boehringer Ingelheim und Haplogen. Das Kubicek-Labor untersucht die Rolle von Chromatin in der Definition von Zelltypen und Zellzuständen, insbesondere Chromatin-modifizierende Enzyme als synthetische letale Targets bei Krebs und der Transdifferenzierung in insulinproduzierende Betazellen. In einem durch den ERC geförderten Projekt befasst sich das Labor mit metabolischen Enzymen im Zellkern und prüft die Hypothese, dass Metaboliten die Chromatinstruktur beeinflussen und daher Genexpression und Zellidentität steuern.

CeMM

Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter der wissenschaftlichen Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Instituts befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien. www.cemm.oeaw.ac.at 

 

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