CeMM: Baupläne der anti-viralen Waffen in den Zellen entdeckt

(Montreal, Wien, 13. Jänner 2013) Ein Artikel des renommierten Wissenschaftsjournals Nature berichtet: Forscher aus Kanada und des Wiener CeMM entschlüsseln Molekulare Mechanismen der angeborenen Immunabwehr gegen Viren.

Wissenschaftler der Abteilung für Biochemie an der McGill Universität, Kanada und des CeMM Forschungsinstitutes für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist es nun gelungen, molekulare Details zu enträtseln, die es der menschlichen Immunabwehr ermöglichen, Viren zu erkennen und Infektionen zu verhindern. Moleküle des angeborenen Immunsystems arbeiten als Wächter und halten ständig Ausschau nach körperfremden Molekülen, die von Krankheitserregern stammen. Werden solche entdeckt, wird der Verteidigungsmechanismus der Zelle in Gang gesetzt: Eine Reihe von Abwehrmolekülen arbeitet zusammen, um die fremden Moleküle zu entfernen und die Infektion zu stoppen. Eine Schüsselrolle kommt dabei den sogenannten IFIT-Proteinen zu, die als „Fußsoldaten der Immunabwehr“ in der Lage sind, virales genetisches Material von körpereigenem zu unterscheiden und dieses gezielt zu zerstören. Diese Eigenschaft der IFIT-Proteine wurde in einer bahnbrechenden Studie des CeMM 2011 erstmals beschrieben. In einer weiterführenden Studie ist es nun Forschern gelungen, die komplexe dreidimensionale Struktur des IFITProteins zu entschlüsseln und die Baupläne der molekularen Abwehr jetzt in nanomolarer Auflösung zu sehen und somit zu verstehen. Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchungen sind ein möglicher Schlüssel für die Entwicklung neuer Therapien und werden am 13. Jänner 2012 im renommierten Fachjournal Nature als voller Artikel publiziert.

Sobald uns ein Virus oder Krankheitserreger infiziert, wird unser Abwehrsystem in Gang gesetzt und ist überaus effektiv dabei, die Infektion durch T-Zellen, Antikörper oder anderen Faktoren der sogenannten adaptiven Immunsystems zu bekämpfen. Allerdings reagiert diese spezifische Immunabwehr sehr langsam und benötigt rund eine Woche, bis sie voll aktiv ist. Infektionen könnten in der Zwischenzeit schweren Schaden anrichten, wäre da nicht eine andere, schnelle „Abwehrtruppe“, welche die Infektion in Schach hält, bis die Verteidigung aufgebaut ist. Diese sogenannte angeborene Immunität ist in der Keimbahn angelegt und besteht nur aus einer eingeschränkten Zahl an Zellen und Proteinen im Gegensatz zur adaptiven Immunität, die Krankheiten sehr komplex und spezifisch bekämpft.

Viren, die in unsere Zellen eindringen, erzeugen körperfremde Moleküle in Form von genetischem Material (DNA und RNA), um sich zu vervielfältigen. Die Rezeptoren des angeborenen Immunsystems sind üblicherweise in der Lage, die fremden Moleküle zu entdecken und die Abwehr in den befallenen und umgebenden Zellen in Gang zu setzen. Dabei werden hunderte verschiedene Proteine als Teil des Viren-Abwehr-Programmes produziert, um die Infektion konzertant zu bekämpfen.

IFIT-Proteine sind unter den zahlenmäßig am häufigsten vorkommenden und am schnellsten herbeieilenden Molekülen der antiviralen Abwehr und stehen seit mehr als zehn Jahren im Zentrum des Forschungsinteresses. Erst 2011 konnte eine Studie des Wiener CeMM einen Durchbruch erzielen. Ein Team um den Wissenschaftlichen Direktor Giulio Superti-Furga und PostDoc Andreas Pichlmair hat entdeckt, dass IFITProteine unerwarteter Weise mit viraler RNA interagieren und deren Replikation verhindern. Noch wichtiger aber war die Erkenntnis, dass IFIT-Proteine in der Lage sind, virale von zelleigener RNA zu unterscheiden unddiese gezielt anzugreifen. Wie genau die Unterscheidung erfolgt, blieb rätselhaft, umso mehr, als die Wissenschaft bislang davon ausgegangen ist, dass IFIT an jede Art von Nukleinsäure bindet.

Die Lösung des Rätsels war nun Ziel der gemeinsamen Studie von Giulio Superti-Furga am Wiener CeMM und Bhushan Nagar an der McGill Universität in Kanada. Vielfältige biophysikalische Techniken, insbesondere die Röntgen-Kristallographie, haben zum Verständnis der Struktur der IFIT-Proteine beigetragen. Die wichtigste Erkenntnis war aber die Enträtselung der chemischen Bindungsmechanismen, die IFIT nutzt, um virale RNA gezielt zu erkennen, ohne die körpereigene anzugreifen. Konkret haben IFIT-Proteine spezifische Bindungstaschen entwickelt, die nur für Triphosphat-Gruppen von viraler RNA chemisch kompatibel und groß genug sind. Auf äußerst elegante und nicht vorhersehbare Weise, können IFIT Proteine diese einzelsträngige RNA mit Triphosphat-Gruppen sehr präzise erkennen, vollkommen unabhängig von der Sequenzspeifizität der RNA. Körpereigene RNA kann mit diesen Bindungstaschen nicht interagieren, wodurch Autoimmunreaktionen (die Zerstörung der körpereigenen RNA) ausgeschlossen werden. Sobald die virale RNA an IFIT bindet, kann diese vom Virus nicht mehr für die Replikation und Vermehrung genutzt werden. Die Studie leistet einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der körpereigenen Abwehr gegen eine Vielzahl von Viren, u.a. Grippe und Tollwut-Erreger. Die Erkenntnisse können aber auch hilfreich für die Entwicklung neuer Medikamente sein, die gezielt auf IFIT-Proteine gerichtet sind, um die Immunabwehr speziell in der Behandlung von Krebs und Entzündungserkrankungen zu dämpfen.

Publikation:
Structural basis for viral 5’-PPP-RNA recognition by human IFIT proteins by Yazan M Abbas Andres Pichlmair, Maria W. Gorna, Giulio Superti-Furga* & Bhushan Nagar*. Nature. Jan 13, 2013. DOI: 10.1038/nature 11783. Die Studie ist im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit zwischen der der McGill Universität, Abteilung für Biochemie, Montreal, Kanada und dem CeMM Forschungsinstitut für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entstanden. Beide Studienleiter* sind federführend. Die Arbeiten am CeMM wurden zum Teil durch den i-Five ERC Grant finanziert.

CeMM – Kurzprofil
Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften arbeitet an einer patientengerechteren, personifizierten Medizin der Zukunft und an einer zielgerechteren klinischen Wertschöpfung der Grundlagenforschung. Es verfolgt eine anwendungsorientierte Forschung auf dem Gebiet der Molekularmedizin durch die Zusammenführung und gegenseitige Beeinflussung von Grundlagen- und klinischer Forschung, wobei Krebs, Entzündungsprozesse und immunologische Krankheiten zu den wichtigsten Forschungsgebieten zählen.

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