CeMM: Feuer mit Feuer bekämpfen: Künstliche CRISPR-Gendefekte könnten Erbkrankheit beheben

DNA-Reparaturen sind für ein gesundes Erbgut essentiell: In jeder Zelle müssen täglich zehntausende DNA-Schäden durch verschiedenste molekulare Mechanismen behoben werden. Einer davon ist der Fanconi-Anämie-Signalweg – ist er defekt, leidet man an der namensgebenden Fanconi-Anämie, einer seltenen Erbkrankheit, die statistisch bei einem von 130.000 Menschen auftritt. WissenschaftlerInnen des CeMM haben in internationaler Kooperation herausgefunden, dass bestimmte, durch CRISPR/Cas9 künstlich erzeugte Gendefekte den Auswirkungen dieser Erbkrankheit in Zellkulturen entgegenwirken, und dabei einen dafür verantwortlichen Proteinkomplex identifiziert. Die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichte Studie belegt eindrucksvoll die Wirksamkeit des „synthetic viability“ genannten Konzepts für das Aufspüren genetischer Interaktionspartner, die das Überleben von Zellen mit Erbdefekt fördern.

Sonnenlicht, Stoffwechselprodukte, oder schlicht Kopierfehler bei der Zellteilung – die riesigen DNA-Moleküle, mit denen jede Zelle ihre Erbinformationen speichert, nehmen auch ohne zusätzliche Belastungen wie Tabakrauch ununterbrochen Schaden. Ein ganzes Arsenal an molekularen Maschinerien steht daher bereit, um die Beschädigungen schnellstmöglich zu beheben und den normalen Betrieb der Zelle aufrecht zu erhalten. Versagen diese Reparaturmechanismen, kann das dramatische Folgen haben. So auch im Falle des Fanconi-Anämie-Signalwegs: Ist er defekt, können Quervernetzungen der DNA-Stränge, die mitunter durch Stoffwechselvorgänge verursacht werden, während der Zellteilung nicht mehr gelöst werden. Die Betroffenen leiden unter Fehlbildungen, Blutarmut und einem hohen Krebsrisiko.
 
WissenschaftlerInnen der Forschungsgruppe von Joanna Loizou am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben nun anhand der Fanconi-Anämie demonstriert, dass mit einer sogenannten „synthetic viability“-Analyse Gene identifiziert werden können, die einer Erbkrankheit entgegenwirken, sobald man sie ausschaltet. Die Studie wurde im der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlich (DOI: 10.1038/s41467-017-01439-x).
 
Für die Studie wurde mit Hilfe der „Genschere“ CRSIPR/Cas9 eine Sammlung an Viren hergestellt, die jeweils ein bestimmtes Gen gezielt ausschalten können – für nahezu jedes Gen im menschlichen Genom waren passende Viren dabei. Millionen Fanconi-Anämie-Zellen wurden mit diesen Viren infiziert, pro Zelle wurde dabei nur ein einziger Gendefekt zusätzlich zum ohnehin vorhandenen Fanconi-Anämie-Defekt künstlich eingeführt.
 
Anschließend wurden in der DNA der modifizierten Zellen jene Quervernetzungen hervorgerufen, die bei Fanconi-Anämie nicht mehr repariert werden können und daher zum Zelltod führen sollten. In einer Hochdurchsatzanalyse ermittelten die ForscherInnen schließlich, welche der modifizierten Zellen besser überleben als Kontrollzellen ohne zusätzlichen Gendefekt – und wurden fündig: Jene Zellen, deren Gene für einen bestimmten Proteinkomplex, den BLM Helikasekomplex, zerstört waren, verhielten sich eher wie gesunde Zellen ohne Fanconi-Anämie-Defekt.
 
„Diese Resultate zeigen, dass der BLM Helikasekomplex eine bisher völlig unbekannte Rolle im Zusammenspiel mit einem defekten Fanconi-Anämie-Signalweg einnimmt“ erklärt Martin Moder, Co-Erstautor der Studie und PhD Student am CeMM. „Darüber hinaus demonstriert unsere Arbeit, dass sich diese genomweiten CRISPR/Cas9-Analysen - die „synthetic viability screens“ - dazu eignen, genetische Interaktionspartner zu identifizieren, die das Überleben von Zellen mit defekten DNA Reparaturmechanismen fördern“, ergänzt Georgia Velimezi, ebenfalls Co-Erstautorin der Studie und PostDoc in der Gruppe von Joanna Loizou.
 
Die genaue Wirkungsweise des BLM Helikasekomplexes in Verbindung mit dem Fanconi-Anämie-Signalweg ist weitgehend unbekannt. Die vorliegende Studie zeigt jedoch, dass der Verlust beider Komponenten für Zellen weniger schädlich ist, als der Verlust des Fanconi-Anämie-Signalweges alleine, was einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der seltenen Erbkrankheit leistet.


Rückfragehinweis
Eva Schweng, MAS
PR Manager
CeMM
Research Center for Molecular Medicine
Tel: +43 (0)1 40160-70 051
Fax: +43 (0)1 40160-970 000
Email: eschweng(at)cemm.oeaw.ac.at
Web: www.cemm.at

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